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Der Elfenpakt

Titel: Der Elfenpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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gefährlich.«

 
ZWEI
     
    D er bevorstehende Besuch bei seinem Vater machte Henry nervös. Er hatte keine Ahnung, warum. Eigentlich hätte er doch froh sein können, für eine Weile von seiner Mutter wegzukommen. Das war er ja auch. Aber an seiner Nervosität änderte das überhaupt nichts. Wenn er die Wohnung betrat, begrüßte sein Vater ihn jedes Mal überschwänglich, grinste ihn an und sagte dann: »Komm rein, Alter, komm rein!« (Seit der Trennung von Mama nannte er ihn nun ständig »Alter«.) Henry machte das alles immer noch nervös.
    Vielleicht lag es ja an der Gegend. Vor fast einem Jahr hatte man bei einem Spaziergang am Kanal noch sein Leben riskiert. Inzwischen galt das Viertel als schick. Henry fand die Vorstellung unerträglich, dass sein Vater dafür bezahlt hatte, dort zu wohnen. (Sein Vater hatte ihm mal die Broschüre gezeigt, ein dickes, teures Ding mit Seidenpapier über dem Hochglanzfoto. Und es hieß auch nicht Broschüre, sondern Prospekt.) Immerhin brauchte Henry nicht lange zu bleiben und hatte Hodge als Entschuldigung parat: Er musste weiter, um Mr. Fogartys Kater zu füttern.
    Henry drückte auf die Klingel und wartete. Nach einer Weile läutete er noch mal. Mit einem merkwürdigen Gefühl der Erleichterung dachte er schon, dass sein Vater vielleicht nicht zu Hause war. Er drückte ein drittes Mal auf den Klingelknopf und entschied, dass er sich, wenn in den nächsten zehn Sekunden niemand erschien, vom Acker machen würde. Dann konnte er später anrufen, sagen, dass er geklingelt hatte, und ohne irgendwelche Nervereien die Punkte einheimsen. Nicht dass sein Vater besonders nervig gewesen wäre. Es lag einfach an der Art, wie er sich immer nach Mama erkundigte. Die Fragen waren es nicht, die Henry so aufregten. Es waren eher die Augen seines Vaters, die feucht wurden, wenn er diese Fragen stellte.
    Neun … zehn … elf … zwölf … dreizehn … vierzehn … Es war definitiv niemand zu Hause. Henry konnte sich also ganz frei fühlen – er hatte ja seine Pflicht und Schuldigkeit getan und konnte gehen. Ein Gefühl wie Schulschluss.
    Aus irgendeinem Grund aber schoss seine Hand nach vorn und drückte gegen die Tür.
    Sie war nur angelehnt und öffnete sich. Henry starrte verdutzt durch den Spalt und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Niemand ging einfach so weg und ließ die Tür offen stehen, jedenfalls nicht, wenn sonst keiner in der Wohnung war. Mit so etwas forderte man das Schicksal doch geradezu heraus, das musste sogar seinem Vater klar sein. Auch wenn dieser Abschnitt des Kanals gerade trendy war: Die Gegend drum herum war nach wie vor ein recht heißes Pflaster. Die neuen Wohnungen am Wasser zogen mit Sicherheit das ganze Gesindel der Umgebung an.
    Henry versetzte der Tür einen zweiten Stoß, und sie öffnete sich noch weiter. Ihm kam ein furchtbarer Gedanke. Was, wenn sein Vater die Tür gar nicht offen gelassen hatte, als er ging? Wenn er ganz normal abgeschlossen hatte, so wie immer? Und wenn dann irgend so ein dahergelaufener Dreckskerl das Schloss geknackt hatte? Irgend so ein Schuft, der noch drin war und gerade die Schubladen durchwühlte?
    Bei dem Gedanken daran krampfte sich Henry der Magen zusammen. Ach, er hatte einfach zu viele Horrorfilme gesehen: Man stieß eine unverschlossene Tür auf, betrat eine leere Wohnung, und irgendwas mit einer Maske wie in Scream sprang aus dem Schatten auf dich zu und schlug dir mit einem Schürhaken den Schädel ein. Aber Henry hatte nicht nur um sich selbst Angst. Er stellte sich die ganze Zeit vor, dass sein Vater vielleicht wieder nach Hause gekommen war und dass dieses Ding mit der Scream-Maske vielleicht hinter ihm aufgetaucht war. Henry sah einen Körper vor sich am Boden liegen und Blutflecke überall auf dem hellen Teppich.
    Mit klopfendem Herzen stieß er die Tür vollends auf und schlüpfte in die Wohnung.
    Von der Haustür gelangte man in eine winzige Diele mit einer Garderobe, einem Wandspiegel und einem albernen polierten Tischchen, das so aussehen sollte, als stammte es aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von der Diele gingen zwei Türen ab. Die hintere führte in den Raum, der im Prospekt als »Hauptschlafzimmer« ausgewiesen war, mit langflorigem Flauschteppich, einem Doppelbett – wozu brauchte sein Vater eigentlich noch ein Doppelbett, wenn er nicht mehr mit Mama zusammenlebte? – und mickrig kleinen französischen Fenstern, die auf einen winzigen Balkon mit Feuertreppe führten. Von dort gab es

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