Der Engel Der Kurie
wohlgesonnen; Frangipane nicht, den du ans Messer liefern willst, und Garilliati schon gar nicht, denn er ist ein willfähriger Freund der Farnese. Dein Wachmann aus Spanien, dieser Carlos Nunez, wird einen Teufel tun und aussagen – wenn er spricht, gerät er höchstens in den Verdacht, er habe etwas mit Antonias Tod zu tun. Peruzzi würde sich niemals mit einer reichen Familie anlegen, weil er danach sein Leben lang keinen Auftrag mehr erhielte. Im Gegenteil: Böte ihm Farnese ein gutes Geschäft, ließe dich der Meister der illusionistischen Malerei lächelnd über die Klinge springen. Ein Hinweis des Ambrogio Farnese gegenüber dem Governatore genügt, dich in Ketten zu legen, und dann mußt du noch froh sein, nicht in der Casa Santa zu schmachten. Wie leicht man unter der Folter Verbrechen gesteht, welche man nicht begangen hat, mußtest du gestern mit eigenen Augen erleben.«
»Du bist so klug, Claudia, du bist …«
»Ach was.« Sie lächelte, und ihre blauen Augen funkelten wieder. »Alles hast du selbst gewußt und mir erzählt. Von mir hörst du nur eine Kurzfassung. – Also: Wenn du den Mörder von Antonia finden willst, mußt du zu Ambrogio Farnese gehen!«
Letzte Rätsel
Aufgewühlt verließ Jakob Claudia tief in der Nacht, um zu Cesare und seinen Freunden in ihr Versteck am Monte Celio zu gelangen. Es brauchte eine Weile, bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Dann sah er seine Heimat vor sich und erinnerte sich an manchen Gang von Ingolstadt nach Landshut, wo er auf der Herzogsburg sein Wissen vermittelt hatte. Dort verbanden sich Rechtgläubigkeit und Herrscherwille auf eine wohltuende Art und Weise.
Plötzlich wußte Jakob, daß er nicht länger in Rom bleiben wollte, sondern versuchen mußte, den Dispens des Ordensgenerals für eine Rückkehr nach Bayern zu erlangen, gleichgültig, ob an eine Lateinschule zu München oder an die Universität zu Ingolstadt. Nur in der Heimat würde es ihm gelingen, sein Seelenheil zu retten, das durch die Verderbtheit der Stadt und durch seine Gefühle für Claudia in höchster Gefahr war. Zu nah war sie ihm gekommen, als daß er sie von nun an mit Gleichgültigkeit behandeln könnte. Allein wie sie ihm zugehört hatte, zeugte von einem hohen Maß an Zuneigung, denn wer sich nicht in einen anderen einzufühlen vermag, der merkt sich keineswegs all diese Kleinigkeiten, die Claudia zu jenem überzeugenden Schluß befähigten, der Jakob trotz seiner bedrohlichen Konsequenz von der unheimlichen Angst befreite, die er wochenlang gefühlt hatte. Nun, da er die dumpfe Bedrohung, die sich aus dem Tod von Antonia für ihn ergab, in Verbindung mit der Person des Ambrogio Farnese bringen konnte, kannte er seinen Feind und konnte sich wappnen. Die Angst wandelte sich in Zorn und Angriffslust, und Jakob nahm sich vor, Ambrogio zur Rede stellen.
Doch nicht nur auf Claudias Fähigkeit zuzuhören gründete die Nähe, die Jakob zu ihr empfand, sondern auch auf ihren Gesten und Bewegungen. War sie zu Beginn auf Abstand bedacht gewesen, rückte sie von Stunde zu Stunde näher und beugte sich vor, als wäre sie bereit, ihn in einer Umarmung aufzufangen. Ihr Mienenspiel wurde im Verlaufe des Gesprächs immer weicher, ihre Stimme legte jede Bitterkeit ab und wurde einschmeichelnd und mitfühlend. Als Jakob sie verließ, stand er ganz unter ihrem Bann und war fähig, ihr jede Sünde, die sie begangen hatte, zu verzeihen.
Je näher er dem Monte Celio kam, desto schärfer trat die Wirklichkeit in sein Bewußtsein zurück, und als er tastend den Weg durch die Dunkelheit suchte, wuchs die Neugier zu erfahren, ob Cesare und Filippo etwas über das Haus bei San Giacomo herausgefunden hatten. Vorsichtig duckte Jakob sich unter einem tiefhängenden Ast durch und schlüpfte zwischen den Mauerresten auf einen dunklen Spalt zu.
»Wer da?«
»Ich bin es«, erwiderte Jakob flüsternd und spürte gleich darauf, wie ihn eine Hand packte und in die Finsternis geleitete.
»Gut, daß du da bist«, sagte Luigi in die Dunkelheit hinein. »Hier streunen Milizionäre herum. Wir müssen vorsichtig sein.«
»Habt ihr etwas herausgefunden?«
»Wenig«, meldete sich Cesare zu Wort. »Gegenüber dem Hospital ist tatsächlich ein Freudenhaus, aber es hat nicht jedermann Zugang. In der Nachbarschaft weiß niemand, wem das Haus gehört; allerdings soll eine gewisse Justina dort Feste für hohe Herren der Kurie ausrichten, und eine Hure aus der Nachbarschaft hat uns erzählt, daß aus dem
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