Der Engel Der Kurie
Schulter, und die Hure verneigte sich demutsvoll. Jakob drehte sich um und blickte in Trippas kantiges Gesicht.
»Ich wußte, daß ich dich eines Tages hier treffen würde«, bemerkte der Monsignore lächelnd. »Allerdings hätte ich jetzt, da du die Morde aufgeklärt hast, beinahe nicht mehr mit dir gerechnet. Ist es dir angenehmer, dich mit mir außerhalb dieses Raumes zu unterhalten?«
Jakob nickte, dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn und brachte seine Soutane wieder in Ordnung. Hastig folgte er Trippa zur Tür. Wenig später saßen sie auf einem bequemen Diwan und tranken Rotwein aus den Albaner Bergen.
»Meinem Fänger, so nenne ich denjenigen, der nachts auf der Straße nach geeigneten Männern Ausschau hält, habe ich dich genau beschrieben und ihm Anweisung gegeben, sollte er dir jemals begegnen, dich um jeden Preis mitzubringen. Er hat sich ein Fäßchen Rotwein verdient, findest du nicht auch?«
»Ohne Zweifel. Doch nun müßt Ihr mich aufklären, was Ihr hier für eine Rolle spielt.«
»Du weißt es längst, Jakobus. Meinst du, ich falle auf deine aufgesetzte Dummheit herein? Auch ich habe dich längst durchschaut; allerdings hast du mich mit der Anklage beim Governatore überrascht, und daß du mich beim Kanzler in Mißkredit gebracht hast, nehme ich dir wirklich übel.«
»Ich wollte mit dem Kanzler unter vier Augen sprechen, nicht mehr und nicht weniger.«
»Du sprachst über neue Freunde, mein Lieber, die andere Zielrichtungen verfolgen als die Familie Farnese«, erwiderte Trippa vorwurfsvoll. »Laß uns offen miteinander sprechen. Wir fühlen uns beide der Wahrheit verpflichtet und ziehen an einem Strang. – Was willst du von mir? Wessen verdächtigst du mich?«
»Gern würde ich offen mit Euch sprechen, wenn Ihr mir versichern könntet, mir die Wahrheit zu sagen, und zwar von Anbeginn. Was steckt wirklich hinter dem Auftrag, und für welchen Zweck habt Ihr mich benutzt?«
»Was ist Wahrheit, Bruder? – Wollen wir es mit Augustinus halten und sagen, wahr scheint das zu sein, was ist?«
»Nehmt Eure Zuflucht nicht in der Philosophie«, erwiderte Jakob, »sondern haltet Euch an Senecas Leitspruch, wonach die Rede der Wahrheit einfach sei.«
Trippa blickte Jakob an, trank einen Schluck Wein, musterte Jakob nochmals durchdringend, trank wieder und begann zu erzählen.
»Es ist wahr: Wir haben dich benutzt. Zunächst ich, denn ich wollte Casale einen Gefallen tun und die Morde an seinen Mädchen aufklären, da ich annahm, daß sie ihm lästig wurden. Ich kannte dich von jenem Vortrag bei den Dominikanern, den du zu Beginn deines Romaufenthaltes über die Frage der Kausalität gehalten hast. Deine Gedanken waren von luzider Klarheit, und als ich erkannte, daß es für die Aufklärung der Morde eines besonderen Denkers bedurfte, fiel meine Wahl auf dich. Es war nicht schwierig, den Kanzler davon zu überzeugen, heimliche Ermittlungen zu wählen und dich damit zu betrauen, und dein General willigte unverzüglich ein. Aber auch der Kanzler wollte dich benutzen, um durch dich etwas über mich zu erfahren, denn Ambrogio, der alte Fuchs, hat über die Jahre sein Mißtrauen gegen mich genährt und beobachtet mich mit Argusaugen, seit ich das Amt des Kanzleinotars erworben habe. Als ich bemerkte, daß Casale die Aufklärung der Morde gar nicht gelegen kam, setzte ich alles daran, dich von weiteren Ermittlungen abzuhalten, und womöglich wäre alles im Sande verlaufen, wenn Aldobrandino Orsini nicht ermordet worden wäre. Jetzt mußte die Aufklärung weitergehen, denn in diesem Punkt war ich der Familie Farnese viel zu sehr verpflichtet. Hätte ich hier die Ermittlungen nicht angetrieben, hätte mich Ambrogio zu Recht für abtrünnig gehalten, und das konnte ich nicht zulassen. Aber nun wendete sich das Verfahren von einer dem Casale zugedachten Hilfestellung in eine zunehmende Verfolgung meines Freundes, und ich bemerkte mit Sorge, wie sehr Ambrogio versuchte, dich in die Richtung zu drängen, Material gegen den Vizedatar vorzulegen. Ich versuchte noch, dich zu beeinflussen, aber mit einemmal riß unser Kontakt, und ich erfuhr nichts mehr von dir, bis Ennea im Corte Savella saß. Das ist meine ganze Wahrheit zu den Morden; außerdem bin ich selbst sehr daran interessiert, daß Roms Huren nicht ohne Not ermordet werden, denn ihre Arbeit ist einträglich und notwendig.«
»Also gehört dieses Haus Euch?«
»Ja, dieses Haus gehört mir, und du wirst verstehen, daß ich dies nicht an die
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