Der Engel Der Kurie
erreichten Campo de Fiori und fanden bei Giuseppe freie Plätze. Als sich Serena neben ihn setzte, pfiffen einige Männer vom Nachbartisch herüber. Cesare zeigte ihnen seine geballte Faust, aber die Männer lachten nur. Auch Jakob versuchte, ihren spöttischen und anzüglichen Bemerkungen Einhalt zu gebieten, dabei mußte er den Männern auf gewisse Art sogar Recht geben: Serena war in den letzten Woche zu einer schönen, jungen Frau herangereift. Allerdings wußte er nicht, wie lange er sie noch vor dem düsteren Schicksal einer Hure würde bewahren können.
Mißmutig bestellte Jakob sich einen Rotwein und wandte sich an Cesare. »Kennst du ein Freudenhaus bei San Giacomo?«
Der Junge blickte ihn an. »Gegenüber dem Hospital? Ja, da gibt es eines, aber es ist nicht öffentlich. Was willst du dort?«
»Ich möchte so schnell wie möglich herausfinden, wer dieses Haus betreibt oder wem das Haus gehört. Kannst du das für mich erledigen?«
Cesare nickte.
»Nimm Filippo mit, und paßt auf euch auf; wir treffen uns spätestens in drei Stunden in eurem Versteck am Monte Celio.«
Die beiden Jungen grinsten, schlugen Jakob in die hingehaltene Hand und verschwanden.
Serena blickte ihnen lange nach. Jakob betrachtete sie von der Seite und spürte, daß sich zwischen ihr und Cesare eine geheime Zuneigung entwickelt hatte. Kurz kam ihm Claudia in den Sinn, aber er versuchte sogleich, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, was ihm jedoch nicht gelang. Nein, er mußte sie sehen, am besten sofort. Er trank hastig seinen Wein aus und stand auf.
»Wir bringen dich jetzt nach Hause, Serena.« Jakob bemerkte selbst, wie ungeduldig er klang. »Es ist nicht gut, wenn du abends auf der Straße bist. Dann geht ihr, Luigi und Massimiliano, in euer Versteck; ich komme in drei Stunden nach.«
Es dauerte lange, bis Marcina auf sein kräftiges Pochen hin öffnete. Sie blickte Jakob verwundert an, geleitete ihn dann aber anstandslos nach oben und hieß ihn im Tapetenzimmer warten. Er betrachtete eine Eule, die mit tiefgründigem Blick athenischer Weisheit auf einem Ast saß, und wünschte sich den klaren Blick des nächtlichen Raubvogels, um die anstehenden Rätsel zu lösen.
Als Claudia eintrat, sprang er mit pochendem Herzen auf und wurde erst, als er beinahe vor ihr stand, seines Ungestüms gewahr; er hielt inne und reichte ihr zögernd die Hand.
Claudia lächelte, und es war ein so anmutiges Lächeln wie damals, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihre blauen Augen schienen ihn anzustrahlen. Sie neigte leicht den Kopf: »Ich bin so erfreut wie überrascht. Was führt dich zu mir?«
»Wenn es noch einen Menschen gibt in Rom«, antwortete Jakob mit belegter Stimme, »den ich Freund nennen darf, dann bist du das. Ich bin voller Zweifel – und in Schwierigkeiten, Claudia.«
Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn durch die breite Flügeltür, den prächtigen Flur entlang in einen kleinen Saal, in dessen Mitte eine Tafel stand. Dann wies sie ihm einen Stuhl an und bat eine Bedienstete, Essen und Trinken aufzutragen.
Jakob sprach über alles, was ihm im Zusammenhang mit den Morden und seinem Auftrag in den Sinn kam; manches war noch ungeordnet; anderes erzählte er überaus umständlich und ausführlich. Claudia schwieg, als er geendet hatte, dann nickte sie langsam und erklärte, er habe zu Recht Angst.
»Wenn Fabricio Casale erfährt, daß du seinen Brief an Orsini in Händen hast, bist du so gut wie tot«, flüsterte sie, »und ich würde es an deiner Stelle sehr ernst nehmen, daß der Kanzler des Papstes dich vor Casale nicht schützen kann. Von daher ist es klug von dir gewesen, zunächst nicht zu den Farnese zu gehen. Allerdings«, sie stockte einen Wimpernschlag lang, »wirst du dich zu Ambrogio begeben müssen, wenn du erfahren willst, wer Antonia ermordet hat.«
»Warum ausgerechnet zu Ambrogio?« fragte Jakob überrascht.
»Nach allem, was du berichtet hast, muß Ambrogio diese Tat selbst verantworten. Er ist jener Kerzenmacher, der versucht, Gott eine wächserne Nase zu drehen und dir den Mord in die Schuhe zu schieben, und er stellt es geschickt an. – Überlege selbst! Am Morgen, als du von Trippa zum Tatort gerufen wurdest, wußtest du lange Zeit nicht, was in der Nacht geschehen war; du hattest einen schweren Kopf vom Wein, und ich gebe dir mein Wort, daß einer deiner Zechkumpane dir Schnaps in den Becher gegossen hat. Keiner der Männer, die bezeugen könnten, daß du allein nach Hause gingst, ist dir
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