Der Engel Der Kurie
stellen. Aber alles, was Garilliati sagte, bewegte sich im Bereich der Mutmaßungen und des Hörensagens. Auf die Frage, welche Bediensteten auf seinem Fest für den Anschlag in Frage kommen könnten, antwortete er verblüffend unwissend; wohl könne er eine Liste mit den Namen aller Diener aufstellen und habe dies für Frangipane auch schon getan, doch kenne er die Diener seiner Feste nicht näher; einzig der Umstand, daß kein Pferdebursche des Ambrogio Farnese unter seinen Helfern gewesen sei, sei ihm bekannt.
Allerdings hatte Garilliati hinsichtlich Trippas Vergangenheit die Erzählungen Luigis bestätigt, jedoch nochmals mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß Trippa seit seinem Kauf des Amtes in der Kanzlei Fabricio Casale auf besondere Weise verbunden sei. Trotzdem arbeite Trippa daneben auf eigene Rechnung, behauptete der Bankier, und sei mit einem versteckten Haus nahe San Giacomo längst in Konkurrenz zu Frangipanes Haus am Ponte Sisto und zu Casales Engeln getreten. Während aber Casale hochfliegende Pläne habe und ihm seine Engel nur als Mittel zum Zweck dienten, möglichst viele Würdenträger in die Hand zu bekommen, sei es dem Frangipane weit wichtiger, als er zugeben wolle, daß das Haus am Ponte Sisto hinlänglich Ertrag für die Colonna und ihn selbst abwerfe. Daher sei für Trippa zwar Frangipane ein wichtiger geschäftlicher Gegner, nicht aber Casale.
Aber so vernünftig dies alles geklungen hatte, Jakob mochte nicht daran glauben. Was für ein Interesse hatte Garilliati, den Monsignore anzuschwärzen und Ambrogio Farnese möglichst aus allem herauszuhalten? Richteten sich seine Hoffnungen bereits in die Zukunft? Wer auf einen Farnese als nächsten Papst setzte, der mochte es sich nicht mit dieser Familie verderben; und für den Fall eines Konklave bedurften selbst die begüterten Farnese hervorragender Beziehungen zu mehreren Bankhäusern, um hinreichend Mittel für die fälligen Wahlgeschenke aufzutreiben. Gleichwohl würde Jakob dem Hinweis mit dem Haus bei San Giacomo nachgehen.
Auch zu Orsini hatte der Bankier sich geäußert. »Viel ging verloren vom Glanz der Orsini«, hatte er bedauert, »aber sie sind trotzdem eine Familie mit Macht und Einfluß, die jederzeit einen Papst hervorbringen könnte. Seit Generationen stehen sie auf der Seite der Colonna-Gegner und würden daher im Konklave zunächst mit den Farnese und del Monte konkurrieren müssen, bis der Kandidat der römischen Seite feststeht; das schmälert ihre Aussichten erheblich, zumal Gentile Orsini wegen seines Starrsinns weniger Freunde hat als etwa Alessandro Farnese, mit dem ihn bis vor kurzem eine innige Freundschaft verband.«
»Wieso bis vor kurzem«, hatte Jakob gefragt.
»Seit dem gewaltsamen Tod seines Onkels Aldobrandino hat sich Gentile verändert; er ist zurückhaltend und lauernd geworden, gerade seinen Freunde gegenüber; es geht das Gerücht, er vermute einen Farnese hinter dem Mordanschlag. Ich halte das für ausgeschlossen, aber es scheint so, als habe sich Gentile in diese Idee verrannt, und hierin sehe ich eine große Gefahr.«
»Was für eine Gefahr?«
»Die Orsini sind heißblütig und rachsüchtig. Warum, meint Ihr, besaßen sie über Jahrhunderte das Marcellus-Theater und nutzten es als Festung mitten in der Stadt? Solltet Ihr jemals an den Lago Bracciano kommen, wird Euer Blick sofort von dem mächtig aufragenden Castello Orsini gefangen werden, in dem sich zur Zeit Gentiles Neffe, der junge Napoleone Orsini, aufhält. Wenn die Orsini an Rache denken, dann wird der Heißsporn Napoleone handeln.«
Jakob sah sich in seiner Überlegung bestärkt, Frangipane habe Ennea als Werkzeug benutzt, dann dem Kardinal Gentile Orsini absichtsvoll den Verdacht auf Ambrogio Farnese eingeflüstert und so den Colonna neue Verbündete geschaffen. Aber hatte nicht Trippa im Palazzo Nicosia behauptet, der junge Napoleone Orsini stehe in besonderer Gunst des Papstes? Was, wenn er sich dies zunutze machte?
Das ist der Stoff, aus dem Verschwörungen gemacht werden, dachte Jakob und verließ seine Bank. Langsam schritt er zum Altar, kniete nieder, breitete die Arme aus und begann einen Psalm zu beten.
Es dämmerte, und Jakob wollte seiner alten Gewohnheit folgen und in die Stadt hinunter gehen, um bei Giuseppe einen Wein zu trinken, als er Serena und ihre Freunde um die Ecke biegen und die Via Teutonico heraufeilen sah. Erschöpft kamen sie ihm entgegen. Serena hielt ihm einen Brief hin, auf dem das Siegel des Papstes zu
Weitere Kostenlose Bücher