Der Engel Der Kurie
Haus immer wieder seltsame, jammervolle Geräusche zu hören seien. Wir haben den Eingang mehr als zwei Stunden beobachtet. In dieser Zeit ist kein einziger Menschen hinein- oder herausgegangen, und die Fenster zur Straße blieben alle dunkel.«
»Ich möchte euch nicht zuviel zumuten«, sagte Jakob, »aber ich wäre euch dankbar, wenn ihr das Haus in den nächsten Tagen weiter beobachten könntet. Ich vermute, daß in diesem Haus ein Schlüssel liegt zur Aufdeckung des Giftanschlages an Frangipane.«
Die Jungen waren einverstanden. Als Jakob sie weit nach Mitternacht verließ, überlegte er, sich schlafen zu legen, doch dann wandte er sich, statt geradewegs auf den Tiber zuzuhalten, hinauf in die Via del Popolo. Er wollte das Bordell bei San Giacomo selbst in Augenschein nehmen und eilte im schwachen Schein der Fackeln dahin, bis er das Marsfeld erreicht hatte. Hier herrschte noch größte Betriebsamkeit. In den Fenstern der Häuser hinter der Piazza Colonna saßen etliche Huren im hellen Licht ihrer Kerzenleuchter und geizten nicht mit ihren Reizen; ihre Mieder waren locker geschnürt, und wenn sie sich vorbeugten, konnte man ihre vollen Brüste sehen. Eine der Dirnen saß sogar in einem aufgeknöpften Hemd in ihrem Fenster, was jede Menge Gaffer anlockte; lautstark wurde um den Preis gefeilscht, bis einer der Männer hinaufspringen durfte und sich über den Fenstersims in das Zimmer der Hure schwang.
Einige Schritte weiter kam Jakob an einem Trümmergrundstück vorbei, vor dem die Huren in aufreizenden Posen standen und mit den Freiern handelten. Jakob empfand ein Gefühl des Ekels, als er diese Art der Lüsternheit beobachtete, und lobte insgeheim seinen Lieblingsplatz, den Campo de Fiori, wo die Geschäfte der Huren zurückhaltender vonstatten gingen.
Gegen San Giacomo zu wurde es ruhiger; vor allem saßen keine Huren mehr in den Fenstern, und als der wuchtige Bau des Hospitals vor ihm auftauchte, begann Jakob nach dem geheimen Bordell Ausschau zu halten. Plötzlich trat aus der Dunkelheit ein maskierter Mann auf ihn zu und fragte ihn mit verstellter Stimme, ob er ein besonderes Vergnügen suche.
Überrascht musterte Jakob den Mann; er war in einen schwarzen Anzug gehüllt und trug Handschuhe aus schwarzem Leder; sein Gesicht verbarg eine Ledermaske, in die lediglich für Augen, Nase und Mund kleine Löcher hineingeschnitten waren, und den Kopf bedeckte ein dunkler Spitzhut, in den eine einzige weiße Feder gesteckt war. Der Mann überragte ihn um Haupteslänge.
Jakob zögerte nicht und bejahte lautstark. Vielleicht hatte er ja Glück, und der Mann brachte ihn geradewegs in das geheime Bordell.
Der Fremde nahm seine Hand und zog ihn sanft mit sich. Sie gingen in eine dunkle Gasse hinein und verschwanden in einem schmalen Eingang; über eine enge Treppe gelangten sie in ein muffiges Gewölbe, an dessen Ende eine steinerne Wendeltreppe in Katakomben hinabführte. Fackeln steckten in eisernen Wandhalterungen und verbreiteten einen dämmrigen Schein. In den schmalen Gängen, die sie dann durchschritten, mußten sie hintereinander gehen. Nach ein paar Momenten wurde es Jakob unheimlich zumute. Schon bereute er seinen Entschluß, als sie die Katakomben wieder verließen. Sie gelangten in einen weiten Raum und von dort über eine breite Treppe in einen prunkvollen Saal, der im Schein Tausender von Kerzen glänzte. Jakob prallte bei dem Anblick fast zurück; nackt und eng umschlungen tanzten mindestens zehn Paare zu schmeichelnden Klängen der Laute, drehten und wendeten sich auf den weichen Teppichen und berührten einander an den intimsten Stellen. An den Seiten standen niedrige Diwane, auf denen weitere Paare in eindeutigen Stellungen lagen. Rasch trat eine Dirne auf ihn zu; sie trug einen seidenen Mantel, dessen Innenseite mit weißem Fuchspelz gefüttert war, und bei jedem Schritt schlug der Mantel ein wenig auf und ließ darunter die nackte Haut erahnen.
»Deine Begrüßungsdame«, erklärte der Maskierte und schlüpfte durch die Tür aus dem Saal hinaus.
Jakob konnte nicht anders, als der Dirne, die nun lächelnd vor ihm stand, die Hand zu küssen, ehe er sich von ihr in eine Ecke des Saales führen ließ, wo sie sich ohne Verzögerung daran machte, seine Kutte aufzuknöpfen. Jakob lächelte und fragte wie beiläufig, wer der Herr dieses geheimnisvollen Hauses sei, doch sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und streichelte ihm über die Wange.
Plötzlich legte sich von hinten eine Hand auf seine
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