Der Engel Der Kurie
und den Vizedatar endlich all der Verbrechen überführten, deren er sich schuldig gemacht habe.
Der Zufall, dachte Jakob in Ambrogios Worten, ist eine auf verschlungenen Pfaden herbeieilende Notwendigkeit, und er schloß sich dem Monsignore an.
Trippa ging zielstrebig zum Eingang des Vatikanischen Palastes und nickte dem Schweizergardisten zu, der seinen Körper straffte, als sie durch das Tor traten. Doch wandte er sich dann nicht nach rechts zu den Gemächern des Kanzlers, sondern lenkte ihre Schritte nach links. Wenige Minuten später standen sie in der Capella Sistina. Jakob war geblendet von der überwältigenden Farbigkeit der Fresken, und magisch zog ihn das Bild der Erschaffung der Welt im Gewölbe an. Da schied Gott Licht und Finsternis, schied Wasser und Erde und rührte mit seinem Finger – was für eine kraftvolle Geste! – an Adam.
»Schön, daß ihr beide kommt«, hallte es von der kahlen Altarwand herüber; dort stand der Kanzler Ottavio Farnese. »Kommt näher und seid euch des Ortes und seiner Bedeutung bewußt. Hier findet das Konklave statt, hier entscheidet sich jedes Mal aufs neue die Zukunft der Christenheit. Es ist ein Ort von besonderer Wahrheit.«
Während Trippa forsch auf den Kanzler zuschritt, ließ Jakob sich mehr Zeit und versuchte, das Gewicht dieses einfachen Raumes zu erfassen; er blieb an der Marmorschranke stehen und schaute immer wieder staunend zur Decke hinauf. Peruzzi hatte recht: Was Michelangelo dort oben geschaffen hatte, war nicht mehr von dieser Welt; Gott selbst hatte ihm den Pinsel geführt.
»Michelangelo hat geflucht, sage ich dir«, beteuerte der Kanzler und trat auf Jakob zu, »als er auf seinem Gestell lag und ihm die Farbe ins Gesicht tropfte; manchmal mußten alle weghören, so sehr beschimpfte er Gott für die Zumutung, hier unter diesen Bedingungen zu arbeiten. – Du hast in den letzten Wochen auch manchmal geflucht, Bruder Jakobus, daß du diesen Auftrag erhalten hast, nicht wahr?«
»Nein, Exzellenz, ich habe nicht geflucht, aber ich habe mit meinem Schicksal gehadert und tue es noch, denn ich bin zum Spielball der Mächte und Mächtigen geworden, und auch die Wahrheit wurde verraten.«
»Weil der Täter entkommen ist? Das soll dich nicht bekümmern; er wird seiner Strafe nicht entgehen. Und sonst? Hast du es nicht selbst in der Hand, der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen und der Gerechtigkeit zum Durchbruch? Wenn du keine Beweise gegen Casale gefunden hast und keine Aussage beibringen kannst, in der Casale beschuldigt wird, der Drahtzieher hinter all den Verbrechen zu sein, kannst du den Zeugen abgeben, den wir brauchen – und die Wahrheit ist offenbar.«
»Es wird schwierig für mich sein«, antwortete Jakob vorsichtig, »eine Aussage zu machen, die zwar die höhere Wahrhaftigkeit hinter sich weiß, aber nicht der Wahrheit entspricht.«
»Er ist ein Anhänger des Augustinus«, mischte sich Trippa ein, »und hält für wahr, was ist und was er mit seinen Sinnen begreifen kann.«
»Wie mag er dann Gott für wahr halten?« fragte Ottavio Farnese philosophisch. »Wo doch niemand Gott sehen oder hören oder fühlen kann?«
»Das ist eine schwierige Frage für ihn wie für viele Deutsche; man muß nur an Luther denken, wie er sich krampfhaft an der Bibel festhält und mit dürren Worten den Primat des Papstes leugnet. – Besonders schwer fällt Jakobus, mir zu glauben, daß ich ein Freund des Casale sein kann und trotzdem in Eurer Familie, mein verehrter Kanzler, meine unverbrüchliche Heimat sehe.«
»Das fällt ihm schwer?« Die Stimme des Kanzlers war voller Spott. »Ich habe es leichtgenommen, dich bei Casale zu wissen, beinahe, mein Lieber, habe ich gelacht.«
»Wirklich?« Trippa klang unsicher.
»In der Tat; ich stellte mir vor, wie du dich fühlen würdest, wenn beim nächsten Mal weißer Rauch aufstiege und du die sechs Hellebarden sähest. Als ich mir dein dümmliches Gesicht vorstellte, mußte ich einfach lachen. Aber du hast dich zum Glück besonnen.«
»Niemals war ein Besinnen nötig, Exzellenz«, beteuerte der Monsignore, und sein Gesicht wurde bleich, »stets war ich im Zweifel auf Eurer Seite.«
»Ich glaubte es gern; doch glaubwürdiger wärst du gewesen, wenn du mir von Anfang an gesagt hättest, daß du bei Casale so tust, als seiest du sein Freund. Du hättest jedem Mißverständnis vorbeugen können.«
»Ihr könnt nicht an mir zweifeln«, erwiderte Trippa merkwürdig matt und verstummte.
»Nun denn, Bruder Jakobus,
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