Der Engel Der Kurie
nimm zur Kenntnis, daß dieser brave Monsignore und die Familie Farnese in bestem Einvernehmen leben. Es gibt keinen Grund mehr für dich, Ergebnisse deiner Ermittlungen vor ihm zu verbergen. Er ist unser Auge und unser Ohr; was du mir sagst, ist, als wäre es ihm gesagt.«
»Gilt dies auch in umgekehrter Richtung?« wollte Jakob wissen. »Was ich ihm sage, ist, als wäre es Euch gesagt?«
Der Kanzler sah ihn erstaunt an und schwieg.
»Oder muß ich, was er weiß, Euch gar nicht sagen, auch wenn Ihr es nicht wißt?«
»Er wird schon wieder philosophisch«, spöttelte Trippa, doch Ottavio Farnese machte eine herrische Handbewegung und forderte Jakob auf weiterzusprechen.
»Neben dem Amt des Notarius Cancellariae und der Pfründe in Cerveteri, was, glaubt Ihr, hat der Monsignore noch für Geldquellen?«
Farnese zuckte mit den Achseln; Trippa schaute Jakob mit funkelnden Augen an, als wollte er ihn erdolchen.
»Seht ihn Euch an; was für ein Mienenspiel! Er würde mich töten, wenn er könnte, nur um zu verhindern, daß ich Euch von der Sinnlichkeit erzähle, die den Gast des Monsignore bei besonderen Gelegenheiten überkommt.«
»Ich denke«, fiel der Monsignore Jakob ins Wort, »wir brauchen den Dominikaner nicht mehr; wir wollten noch wichtige Angelegenheiten besprechen.«
»Nichts ist wichtiger als das Vertrauen zwischen dem Hirten und seinen Schafen«, entgegnete der Kanzler und gab Jakob ein Zeichen fortzufahren.
»Er betreibt ein lustvolles Haus bei San Giacomo.«
»Ist das wahr?« entrüstete sich der Kanzler und wandte sich mit vor Zorn erhobener Faust zu Trippa.
Der Monsignore nickte kaum merklich.
»Auf eigene Rechnung?« Die Stimme des Kanzlers war drohend geworden.
Trippa nickte wieder.
»Geh mir aus den Augen«, schrie Farnese und wies derart energisch zur Tür, daß Trippa tatsächlich ging; doch noch im Hinausgehen traf Jakob ein Blick von solch glühender Kälte, daß er erschauerte.
»Du leistest gute Arbeit«, bemerkte der Kanzler, nachdem der Monsignore gegangen war. »Morgen machst du beim Governatore deine Aussage gegen Casale, dann ist die Angelegenheit erledigt. Wir Farnese werden uns erkenntlich zeigen.«
»Wenn die Welt eine riesige Wüste wäre«, erwiderte Jakob, »aber ich wüßte, es gäbe die Großherzigkeit der Farnese: Ich hielte die Erde gleichwohl für das Paradies.«
»Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann.« Der Kanzler lächelte und klopfte Jakob auf die Schulter.
»Und im Paradies«, fuhr Jakob fort, »schwöre ich keinen Meineid.«
Bleich hatte der Kanzler in der Kapelle gestanden und Jakob grußlos ziehen lassen.
Auf Jakob ruhte nun eine Last, die ihn beinahe zu Boden drückte; doch er wollte keiner Seite nachgeben, sondern bei seiner Wahrheit bleiben und damit die letzten Rätsel lösen. Dazu mußte er in die Löwengrube und sich wie Daniel dem Kampf mit dem Übermächtigen stellen. Also machte er sich auf den Weg zu Ambrogio Farnese. Er nahm nicht den direkten Weg, sondern wanderte am Gianicolo entlang der Aurelianischen Stadtmauer.
Eigentlich, dachte Jakob, kann ich mir nicht vorstellen, wie diese Mauern eingenommen werden sollen; andererseits ist die Mauer sehr lang, beinahe vierzehn Meilen, und es dürfte gar nicht genug waffenfähige Männer in Rom geben, diese gewaltige Strecke zu verteidigen, doch da kein Heer die Stadt vollständig einkesseln kann, gleichen sich die Kräfte aus. Nein, schloß der Dominikaner, über diese Mauern würde kein Feind kommen; und so hielt er die Sorgen der Römer, von dem Heer des Kaisers erobert zu werden, für übertrieben. Obgleich er Rom für eine durch und durch verderbte Stadt ansah und durchaus Sympathien mit jenem Propheten hegte, der in der Nachfolge des ›Narren Christi‹ der Stadt ein Strafgericht vorhersagte, wünschte er keine Gewalttaten. Er sehnte sich nach Frieden und nach seiner bayerischen Heimat.
Sanft wand sich der Tiber unter ihm um die Ewige Stadt, aus deren Häusermeer die Kuppel des Pantheon mächtig herausragte und das gewaltige Halbrund des Kolosseums an die römischen Kaiser erinnerte. Die Sonne wirkte milchig hinter aufziehenden Schleierwolken, es würde Regen geben. Man kann sie lieben, die Ewige Stadt, sann Jakob und lief den Hügel nach Trastevere hinab, aber ich gehöre nicht hierher. Eine letzte Aufgabe bliebe noch, wären die Verbrechen gelöst und die Verschwörung vereitelt: Er müßte einen Weg finden, Serenas und die Zukunft der Jungen zu sichern. Die Jungen konnten
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