Der Engel Der Kurie
hinter dieser Sache stand, konnte nun Jakob die Schuld an Antonias Tod in die Schuhe schieben. Welche Rolle spielte Frangipane? Hatte Ambrogio nicht angekündigt, der Bischof wolle ihn aus der Reserve locken? »Ein einziger Fehler«, hatte er gesagt, »dann bist du matt.«
»Hast du dir neue Erkenntnisse ausgedacht«, fragte Trippa, und in seiner Stimme lag ein spöttischer Unterton.
»Ja«, entgegnete Jakob und blickte den Monsignore dabei offen an. »Es kann kein anderer Täter gewesen sein, denn die Art und Weise, wie die Brust zugerichtet ist, gleicht den bisherigen Morden, nicht wahr, Moncada?«
»Das stimmt; die linke Brust ist zerfetzt wie die Male zuvor, und es scheint immer dieselbe Messerführung zu sein.«
»Ein Fremder kann darüber nichts wissen. – Ist es möglich, dieses Wundbild allein nach einer vagen Beschreibung, wie sie sich in manchen Gerüchten findet, herzustellen?«
Der Medicus schüttelte den Kopf. »Das halte ich für ausgeschlossen; man muß nicht nur wissen, wie die Wunden aussehen, sondern man muß es zustande bringen, so in fremdes Fleisch hineinzuschneiden.«
Jakob lächelte nachdenklich. »Dann bleibt tatsächlich nur die Möglichkeit, daß der Mörder gestört wurde, und meine Theorie von der Botschaft hat Bestand.«
In einem holzgetäfelten Saal saßen sie um eine ovale Tafel und folgten den Ausführungen des Ordensgenerals. Rechts neben Jakob hatten drei Abgesandte der deutschen Dominikaner Platz gefunden, und zu seiner Linken hatte Jakob drei Geistliche aus Deutschland sitzen, die alle eigens zur Erörterung der Frage eines allgemeinen Konzils nach Rom gekommen waren. Die Deutschen, das war bekannt, traten für die Abhaltung eines Konzils ein und führten somit das Wort des Kaisers, während sich die Kurie bedeckt hielt und unterschwellig dagegen eingestellt war. Für die Kurie nahmen drei Bischöfe an den Erörterungen teil, darunter Frangipane, was Jakob sehr erstaunte. Als er von Trippas Haus herübergeeilt war, hatte er nicht damit gerechnet, den Bischof in dieser Runde zu sehen. Trotzdem gab er sich unbefangen. Frangipane seinerseits begrüßte ihn freundlich und erwähnte den gestrigen Abend mit keiner Silbe.
Nach einer knappen Vorstellung aller Beteiligten trat der Ordensgeneral in die Erörterung der Angelegenheit ein, wie sich die Orden allgemein – und der Dominikanerorden im besonderen – in Deutschland zu der Streitfrage nach der Einberufung eines Konzils verhalten sollten. Die Stimmung im Land war aufgeheizt. Luther fand immer mehr Anhänger, auch Calvin und Zwingli verbuchten regen Zulauf. Die deutschen Fürsten maßen daher der Frage, wie der Kirchenstreit zu schlichten sei, außergewöhnliche Bedeutung bei und waren Parteigänger des Kaisers.
»Mit Konzilen haben wir in den letzten hundert Jahren keineswegs gute Erfahrungen gemacht«, schloß der Ordensgeneral seine Ausführungen, »und es ist nicht ausgemacht, ob sich die drängenden Glaubensfragen, die von Luther und den anderen Häretikern zum Streit gestellt werden, beantworten lassen. Es geht weder um irgendeine Antwort noch um eine beliebige Beilegung des Konflikts, sondern es geht um eine Schlichtung im Zeichen kirchlicher Wahrhaftigkeit. Dazu sollten wir uns eine Meinung bilden, und nur, wenn wir die Aussicht auf einen wahrhaftigen Kirchenfrieden durch ein Konzil bejahen, sollten wir uns dafür aussprechen.«
»Der Kaiser«, führte ein deutscher Abgesandter aus, »hat sich stets schützend vor die heilige Kirche gestellt. Er wünscht den Kirchenfrieden und die Einheit der Christen.«
»Dazu ist wichtig«, sekundierte ihm ein deutscher Dominikaner, »daß der Papst aufhört, sich mit den Franzosen und aufmüpfigen Lombarden gegen den Kaiser zu verbünden. Wir müssen die gesamte Christenheit gegen Ketzer und Türken verteidigen und dürfen die Schwerter nicht gegeneinander richten.«
»Wenn Papst Clemens in dieser Angelegenheit falsch oder zu spät handelt«, ereiferte sich der dritte Deutscher, »dann ist er nicht Hirte, sondern Wolf.«
»Gerade deshalb«, fuhr der erste fort, »hat unser Kaiser Karl die Einberufung des Heiligen Allgemeinen Konzils für angebracht gehalten und die Kardinäle aufgefordert, für die Einberufung zu sorgen, sollte der Papst versagen.«
»Das sind längst bekannte Worthülsen, die verschleiern, daß – wie der General zutreffend bemerkte – ein Konzil keine Garantie für den Kirchenfrieden oder auch nur die wahrhaftige Lösung von Streitfragen birgt«,
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