Der Engel Der Kurie
erklärte ein Vertreter der Kurie. »Im Gegenteil. Von einem Allgemeinen Konzil kann man lediglich erwarten, daß der Kaiser noch stärker wird und sich eine Macht über die Kirche anmaßt, die ihm nicht zukommt.«
»Jawohl«, pflichtete der zweite Sprecher der Kurie bei, »das ist Primatus Petri; daran dürfen und wollen wir nicht rütteln lassen. Der Kaiser leiht wohl der Kirche seinen weltlichen Arm, aber den Streich bestimmt der Papst; sündig wär's umgekehrt.«
»Ist es fromm«, fragte ein Deutscher, »einen, der wankelmütig ist und keine Friedensabmachung hält, noch dafür zu unterstützen, daß er mit ständiger Taktiererei dem Krieg dauernd neue Nahrung gibt?«
»Clemens ist furchtsam«, erwiderte ein Römischer leise, »weil er um die Unbarmherzigkeit der Zeitläufte weiß, wenn es darum geht, einen Fehler zu korrigieren. Gerade ihr Deutschen, die ihr nur schwarz oder weiß kennt, würdet keinen Fehler verzeihen. Ihr zwingt den Heiligen Vater dazu, diplomatisch zu sein; und das heißt: nichts überstürzen.«
»Ist da vielleicht ein ›über‹ zuviel?« fragte ein Deutscher schelmisch nach.
»Wie meint Ihr das?«
»Es könnte doch sein, daß sich der Heilige Vater wünscht: nicht stürzen. – Man weiß doch, daß er bei seiner zweifelhaften Herkunft Angst vor einer Absetzung haben muß.«
»Ein Hurensohn ist er und eine Schande für jeden Getreuen«, giftete ein anderer Deutscher.
»Ihr sprecht vom Heiligen Vater«, entrüstete sich ein Bischof und plusterte sich auf, als Frangipane mit einer mäßigenden Geste das Wort ergriff.
»Ruhig Blut, liebe Brüder«, sagt er; seine Stimme klang weihevoll. »Wir sind hier, um einen rechten Umgang mit dem Thema zu finden. Dem dient es nicht, häßliche Gerüchte und noch häßlichere Anschuldigungen in den Mund zu nehmen. Wir wissen doch alle, wie gewissenhaft Clemens seine Amtsgeschäfte führt. Es drücken ihn die Skrupel hier und dort wie einen gichtigen Mann die Knoten in allen Gelenken; und plagt nicht genau dieses Leiden den deutschen Spanier Karl? Vieles spräche für ein Konzil, und ich bin der festen Überzeugung, die Kurie wird ein Allgemeines Konzil einberufen. Fraglich ist nur, wann. – Seht, es bietet manchen Vorteil, den Zeitpunkt etwas in die Zukunft zu legen. Ein wesentlicher Punkt scheint mir zu sein, daß sich mit der Zeit der Rauch verzieht, der Luthers Gedanken umhüllt, und mit zunehmender Klarheit die Einsicht einhergeht, daß Rom die Wahrheit kennt. Manchmal kommt mir der Aufstand wie die blinde Leidenschaft eines frisch Verliebten vor, der erst nach einigen Wochen die Falten im Gesicht der Angebeteten erkennt; und ist die Raserei vergangen, kehrt man reumütig ins alte Bett zurück.«
Mit seiner Rede hatte Frangipane erreicht, daß die Diskussion ein moderates Maß annahm und sich die Deutschen und die Römischen ohne Schmähworten austauschten. Sie wurden sich auch einig, wie wenig sinnvoll es war, daß sich die christliche Seite in Gefechten gegenseitig dezimierte, während die türkische Gefahr unaufhaltsam näher kam, und sie bewerteten es als bedenklich für den brüchigen Frieden in Italien, daß Jörg von Frundsberg mit seinen deutschen Landsknechten über die Alpen gewandert war und die spanischen Truppen Karls verstärkt hatte. Viele Ansichten wurden in allen Einzelheiten ausgetauscht, und manche Frage blieb trotzdem offen; aber die Kernfrage, wie sich die Dominikaner zu einem Konzil stellen sollten, wurde dahingehend gelöst, daß sie dessen Notwendigkeit bejahen, eine Dringlichkeit jedoch verneinen würden.
Frangipane rieb sich die Hände, denn das war ein Kompromiß ganz im Sinne von Papst Clemens, und entsprechend gut gelaunt trat er nach der Besprechung zu Jakob. Mit flinken Augen prüfte er, ob ihn jemand hörte, dann sagte er: »Vergnügen schmecken in Gesellschaft am besten. Du bist auf mein nächstes Fest eingeladen.«
»Danke, Exzellenz«, antwortete Jakob überrascht.
»Mein Diener wird dir in den nächsten Tagen eine Karte bringen. – Sie war übrigens ausgesprochen hübsch«, er legte seine Hand gönnerhaft auf Jakobs Schulter, »deine Antonia. – Also, ich zähle auf dich.«
Ehe sich Jakob versah, war der Bischof verschwunden. Doch blieb er nicht lange allein, denn schon kam sein Ordensgeneral auf ihn zu.
»Du wolltest mich unter vier Augen sprechen? – Laß uns in den Nebenraum gehen.«
»Vater«, begann Jakob, kaum war die Tür geschlossen, »ich bin in großer Sorge wegen eines Auftrages,
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