Der Engel Der Kurie
den ich von Kardinal Ottavio Farnese erhalten habe, und wollte Euren Rat dazu einholen.«
»Geht es um die Morde an jungen Frauen?«
»Woher wißt Ihr …?«
»Der Kanzler hat bei mir angefragt, ob ich jemanden für die Untersuchung empfehlen könnte; ich habe darauf gewartet, daß du zu mir kommst. Selbstverständlich erteile ich dir jeden notwendigen Dispens für diese Sache. Es ist wichtig, daß wir Farnese helfen. Setz dich!«
Der General wies auf zwei Sessel in der Ecke. Auf einem kleinen Tisch stand eine Karaffe mit Wein, zwei Kristallkelche daneben verrieten, daß es guter Wein war. »Die Lage in der Kutte ist verworren. Clemens ist ein Zauderer und Angsthase, aber er läßt sich von seinem Kanzler nicht raten, sondern leiht sein Ohr Giberti und Schomberg, die jeweils gegeneinander agieren. Außerdem treibt Clemens, anstatt auf das Wissen eines wahren Aristokraten zu vertrauen, in vielen Dingen lieber mit einem Medici-Bastard gemeinsames Spiel, und so heißt der Schlüssel zu vielen Schwierigkeiten Fabricio Casale. Der gebärdet sich wie ein persönlicher Sekretär und mischt sich beinahe überall ein, obwohl er von den wenigsten Dingen etwas versteht. Doch zu viele im Vatikan fürchten dieses florentinische Kuckuckskind. Zu allem Überfluß treibt unser lieber Kammerherr Armellino die Steuern unnachgiebig und an den wunderlichsten Stellen ein, was manchen gegen den Heiligen Vater aufbringt oder ganz allgemein den Neid auf den Vatikan nährt. Beim Geld endet die Freundschaft, sagt man, und selbst in der Kurie hat sich Armellino mit seiner Beutelschneiderei schon viele Feinde gemacht; es ist ja fast, als wollte er eine Steuer für Fliegen und Ameisen einführen. Eine sehr zweideutige Haltung nimmt übrigens Bischof Frangipane ein, der heute geschickt auf Ausgleich bedacht war und den du, wie ich sah, schon so gut kennst, daß du mit ihm flüsterst. Er ist in mehr als einer Hinsicht ein Ziehkind Leos und hinter den Weibern her wie der Teufel hinter der armen Seele. Dann sind da noch ein paar Namen zu nennen, die alle ihr eigenes Spiel treiben. – Doch sag, was hast du auf dem Herzen?«
Jakob erzählte so knapp wie möglich, was ihm seit gestern morgen widerfahren war, und verhehlte seine Ängste wegen der Nachtstunden nicht, die seinem Gedächtnis fehlten. Die Miene des Generals wurde immer bedenklicher, und als Jakob seinen Bericht abgeschlossen hatte, sprang er unvermittelt auf. »Wir werden uns in den nächsten Tagen ausführlich unterhalten. Ich werde dich rufen lassen.« Schon wandte er sich zum Gehen, drehte aber auf dem Absatz um, kam auf Jakob zu, umarmte ihn, wie es zuletzt Abt Anselm zu München getan hatte, ehe Jakob nach Rom aufgebrochen war. »Fürchte dich nicht, wir sorgen für dich. Forsche weiter, und sammle so viele Informationen, wie du nur kannst.«
Unschlüssig stand Jakob wenige Minuten später auf dem Platz vor Sankt Peter; er schlenderte zu dem ägyptischen Obelisken, den einst Kaiser Caligula dort aufgestellt hatte und der wie ein mahnender Finger vor dem vatikanische Palast stand; von dort blickte er auf das geschäftige Hin und Her. Für den Rest des Tages war er aller Verpflichtungen ledig; Vorlesungen hielt er nur dienstags und donnerstags, die Messe in Santa Maria dell'Anima las er freitags, und zu Kanzleiangelegenheiten in der Ordenszentrale wurde er nur selten zugezogen; die restliche Zeit stand ihm für seine Studien zur Verfügung. Seit gestern gehörte seine Aufmerksamkeit weltlichen Dingen, und so drängte es ihn nicht zur Bibliothek. Erst recht zog es ihn nicht in seine karge Zelle, und von einem Treffen mit Trippa versprach er sich nichts. Also lenkte er seine Schritte aus dem Borgo hinaus, hinüber in die Stadt und durch die geschäftigen Gassen zum Campo de Fiori. Doch als er Giuseppes wacklige Tische sah, lockte ihn plötzlich die Via de Barbiere. Er suchte jenes schmale Haus, das ihm die alte Frau als ungastlich beschrieben hatte. Eine grau verputzte Fassade, rissig und fleckig, schief in den Angeln hängende Fensterläden und eine abgestoßene, vielfach reparierte Haustür wiesen Jakob den Weg. Mit dem rostigen Klopfer schlug er gegen die Tür und wartete. Nach einiger Zeit öffnete ihm eine bucklige Frau und fragte mit knarrender Stimme, was er wolle.
»Ich möchte Signora Claudia sprechen.«
»Sie ist nicht da«, erwiderte die Bucklige mürrisch.
»Vielleicht möchtest du noch einmal nachsehen, Schwester im Herrn«, erwiderte Jakob und setzte ein
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