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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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einschlägigen Zirkel gelangen, Jakobus. Jede Verzögerung kann ein weiteres Opfer fordern. Wir haben es mit einem Verrückten zu tun, der sich in seine Taten hineinsteigert.«
    »Ob er verrückt ist, weiß ich nicht – da ist viel Zorn dabei, aber auch eine Menge Planung. In der Art, wie die Weiber traktiert wurden, liegt eine Botschaft enthalten. Der Mörder will jemandem etwas sagen; aber ich weiß noch nicht, was und wem.«
    »Unsinn«, wehrte Trippa ab. »Der Wüstling kann doch gar nicht wissen, wer sich um die Leichen kümmert. Es können ebensogut der Governatore mit seinen Sbirri sein wie die Bezirksvorsteher oder die Heilige Inquisition. In ganz Rom findest du mehrere Dutzend Männer, die sich um Verbrechen kümmern, dazu die geheimen Leute der Familien und die Hauptleute der einen oder anderen Bande. Man kann ja nicht sicher sein, unter wessen Schutz die Hure steht – mancher Hirte führt eine scharfe Klinge.«
    »Der Mörder kann darauf zählen, daß die Taten nicht geheim bleiben«, entgegnete Jakob. »Die Botschaft wird ihren Adressaten erreichen; das ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Wer wollte sich so viel Mühe geben, wenn er etwas kundtun will? Man kann Briefe schreiben oder seinen Text irgendwelchen Dichtern einflüstern. Dann weiß man wenigstens, daß die Nachricht den Richtigen erreicht, auch wenn wir keinen Dichter mehr im Kardinalsrang haben wie unter Leo den Bibiena.«
    »Für besondere Botschaften gibt es besondere Signale; niemand weiß das besser als wir Priester. Gott wendet sich in Zeichen und Gleichnissen zu uns, und selten spricht er uns unmittelbar an; meist wählt er den Umweg. – Was, wenn wirklich, wie es der Kanzler zu befürchten scheint, ein Kleriker der Mörder ist? Er ist auf ein Rätsel aus und will es dem Empfänger nicht einfach machen. Jede einzelne Tat erheischt Aufmerksamkeit, die Summe der Taten zielt auf ein Höchstmaß an Wirkung. Zum Schluß wird es ein donnernder Ruf in der Wüste: Höret die Stimme! Sehet die Zeichen!«
    Der Monsignore zog ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen, und entgegnete: »Bernardo Dovizi war Medicis Sekretär; kaum war Giovanni Papst Leo, trug Dovizi den roten Hut. Als Dichter blieb er Bibiena und gebot auf der Bühne über deine Zeichen, Mönch. Der versammelte Purpur klatschte sich auf die Schenkel, als bei der Aufführung von Calandria in Urbino die Sinnlichkeit neben die Komik trat; das waren die rechten Zeichen nach dem Geschmack der Herren, und diese Zeichen wußte ein jeder zu deuten.«
    Jakob überlegte, was Trippa mit dieser Anekdote bezweckte, außer von der Erörterung des Tatmotivs abzulenken. Schließlich lagen ihm Widerworte auf der Zunge, doch ehe er sie aussprechen konnte, kam Moncada den Passetto entlang. Trippa winkte ihm, und zu dritt gingen sie in den Keller hinab, wo Moncada die Leiche gründlich untersuchte.
    »In manchen wesentlichen Punkten herrscht Übereinstimmung mit den vorherigen Leichen«, stellte der Medicus fest, »aber es gibt Ausnahmen: Diese Frau hat einen unverletzten Anus und keine sich kreuzenden Schnitte im Gedärm.«
    »Was folgert Ihr daraus?« fragte Jakob. In seiner Stimme lag ein kaum hörbares Zittern.
    »Entweder ist der Täter bei der Tat gestört worden, oder wir haben es mit einem anderen Mörder zu tun als bei den bisherigen Toten.«
    »Das widerspricht«, bemerkte Trippa nicht ohne Schadenfreude, »deiner Theorie von der Botschaft.«
    »Das Ganze wird immer rätselhafter«, entgegnete Jakob. Mehr und mehr drängte sich ihm der Eindruck auf, er selbst werde hier planvoll in eine üble Geschichte verwickelt. Allein der Umstand, daß er für die Ermittlungen ausgewählt worden war, erschien ihm nun verdächtig. Die Kurie beschäftigte beinahe eintausend Priester, und darunter fanden sich gewiß manche, die fähiger zum Spürhund waren als er. Dann diese Geheimniskrämerei des Monsignore Trippa, der sich vom hochnäsigen Kanzleinotar zu einem scheinbar jovialen Gefährten entwickelte, letztlich aber seine Überheblichkeit nicht abstreifen konnte. Wenn der Kanzler des Vatikan, wenn Ottavio Farnese diese Vorgehensweise angeordnet hatte, wieso erteilte er dann ihm nicht persönlich den Auftrag, und warum bemächtigte er sich als Mittelsmann eines Vertrauten des Vizekanzlers? Und welche Rolle spielte Ambrogio? Die Einladung war kein Zufall gewesen, im doppelten Sinne nicht. Neben Ambrogios Erklärung gab der Mord an Jakobs Tischdame diesem Festbesuch einen düsteren Sinn: Wer immer

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