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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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Augen blitzte.

Schwarze Schatten
    Nachdem Claudia ihn gewissermaßen hinausgeworfen hatte, war Jakob am Tiber entlanggeschlendert und rechtzeitig zur Vesper bei Santa Maria del Priorato angelangt. Allein saß er in der hintersten Bank der düsteren Kirche und sprach mit fester Stimme die Psalmen. Er spürte, wie er von Strophe zu Strophe Abstand gewann zu dieser Welt und Trost fand in der Nähe zu Gott. Er liebte seinen Herrgott, besonders in der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus, dessen Leben und Leiden ihm seine Mutter von klein auf nahegebracht hatte. Deshalb war Jakob mit Freude ins Kloster gegangen, als die Mutter nach dem Tod des Vaters ihre Kinder versorgen mußte, während seine Schwester Theresia jahrelang mit ihrem Schicksal als Nonne gehadert und vor einigen Jahren den Orden verlassen hatte. Es hatte ihr kein Glück gebracht; nach zwei quälenden Fehlgeburten entband sie eine verkrümmte Tochter, und wenig später fiel ihr Mann, ein Frankfurter Kaufmann, einem heimtückischen Fieber zum Opfer. Bei der Regelung des Nachlasses hatte sich zudem ihr mangelndes geschäftliches Talent offenbart, und notgedrungen verdingte sich Theresia seit acht Monaten als Haushälterin bei einem Bankier.
    Nein, dachte Jakob, es lohnte nicht, Gott den Treueschwur zu brechen. Ihm war es all die Jahre gutgegangen; zunächst als Novize bei den Münchner Dominikanern, dann als Scholar zu Ingolstadt im Benediktinerkonvikt, von dem aus er innerhalb von fünf Minuten das Pfründnerhaus erreichen konnte, in welchem die Universität untergebracht war. Drei Benediktiner, ein Prämonstratenser und mit ihm ein Dominikaner – sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen, hatten sich gemeinsam durch das Trivium gepaukt und den Bakkalaureus erworben.
    Trotz des vielfältig geregelten Tagesablaufes erinnerte Jakob sich der ersten Studentenjahre als einer freudvollen und erfüllten Zeit. Sie hatten viel Spaß gehabt, vor allem in der Burse, in der sie mittags gemeinsam mit den weltlichen Studenten das Essen einnahmen; die Weltlichen, weniger an der Wissenschaft interessiert als die Kleriker, waren ein lustiges Völkchen und ließen keine Gelegenheit aus, Feste zu feiern, und manchmal nahmen sie die Kleriker mit zum Tanz.
    Wie unschuldig, dachte Jakob, waren unsere Unternehmungen im Vergleich zu den rauschenden Festen, die hier in Rom in den heiligen Hallen der Kurie gegeben werden, obgleich … er stutzte, weil ihm die Hildegard von der hinteren Burse in den Sinn kam. Sie hatte ein nettes Gesicht mit vielen Sommersprossen und ein ansteckendes Lachen gehabt, so daß er in aller Unschuld mit ihr in die Tenne gehüpft war … Damals hatte er noch kein Gelübde abgelegt gehabt …
    Jakob bekreuzigte sich und blickte mit Inbrunst zum Altar. Allmählich verblaßten die Bilder, die ihn bestürmt hatten, verblich die weiche Schönheit Claudias und verschwamm die betörende Körperlichkeit des Ingolstädter Mädchens; endlich wurden seine Gedanken rein, und er betete ein Vaterunser und ein tief gefühltes Ave Maria.
    Nach der Vesper schlenderte er unauffällig hinüber zu dem Gebüsch, in dem am Morgen Antonia gefunden worden war, und musterte den Ort, so genau er konnte. Zunächst fiel ihm nichts außer den abgebrochenen Zweigen auf, dann jedoch entdeckte er an einem anderen Strauch einen Fetzen grünen Tuches. Vorsichtig zupfte er den Stoff von dem dornigen Gesträuch und befühlte ihn; glatt und weich wie teure Seide war das Tuch. Jakob rieb den Stoff zwischen den Fingern und begann sich zu erinnern: Es war sehr spät geworden, als er etwas sauertöpfisch verkündet hatte, nun nach Hause gehen zu wollen. Antonia hatte einen Schmollmund gezogen und stellte die eher nicht ernst gemeinte Frage, ob sie ihn begleiten könne, woraufhin Frangipane schallend gelacht hatte. »In seiner engen Zelle im Collegio Teutonico wird er keinen Besuch empfangen, sonst halten ihn die Brüder für einen Lutherischen. Bei den Deutschen treiben es nur die Ketzer mit den Weibern, stimmt's?«
    Das müsse am Wetter liegen, antwortete Jakob und lächelte. Daraufhin umklammerte Antonia seinen Arm und blickte ihm tief in die Augen. Sie spielte ihre Rolle gut, und um seinem Auftrag gerecht zu werden, legte Jakob seinen Arm um ihre Schulter und ließ es zu, daß sich ihr Gesicht seinem immer mehr näherte, bis ihre Lippen seinen Mund berührten.
    In diesem Augenblick war der Bankier aufgestanden und hatte einen Fremden begrüßt, der den Raum betreten hatte. Antonia

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