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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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einemmal wurde ihm gleichzeitig heiß und kalt; hatte er dem Falschen sein Vertrauen geschenkt?
    Schon brach die Dämmerung an, und die den Horizont berührende Sonne legte einen Schleier milden Ockers über die Stadt. Der Tiber hüllte sich in Nebel, das Schnattern der Gänse und das Quaken der Enten klangen gedämpft und geheimnisvoll. Jakob lief die Straße am oberen Tiberufer entlang und achtete darauf, in keinen Pferdemist zu treten. Vom Aventin her rauschten die Kutschen über den Fluß Lungotevere in Richtung Vatikan. Anscheinend wurden irgendwo wieder große Feste gefeiert – was auch bedeuten konnte, daß eine der teuren Huren wieder in Gefahr geriet.
    Jakob lenkte seine Schritte zum Campo de Fiori; bei Giuseppe wollte er Wein trinken, um die Bilder von zerfetzten Brüsten und unschuldig starrenden Augen zu verscheuchen. Wer faßte das schon, dem Tod in die Augen zu sehen? Er war Mönch, Priester und Rechtsgelehrter, kein Inquisitor oder Spürhund und schon gar kein Racheengel.
    Es wurde rasch dunkel. An den Hauswänden wurden die ersten Fackeln angezündet; die flackernden Flammen warfen unheimliche Schatten an die Wände. Eine klapprige, verkrümmte Frau trat aus einem Hauseingang und fiel beinahe vor Jakobs Füße. Mit einem raschen Sprung fing er sie auf und half ihr wieder auf die Beine. Dann blickte er in ihr Gesicht; niemals hatte er mehr Falten und Runzeln gesehen. »Grazie«, krächzte die Frau und zeichnete ihm mit der Daumenkuppe ein Kreuz auf die Stirn. Jakob nickte; Tränen schossen ihm in die Augen. Die Alte lachte und sprach mit schriller Stimme, doch die Worte folgten einander in einer Geschwindigkeit, daß Jakob nichts verstand, fast wie ein Trommelwirbel, nur mit hohem Klang. Der zerfurchte Mund lächelte, es sah aus, als hätte ein Windstoß in einen kleinen Vorhang aus Fransen geblasen. Auch Jakob lächelte dann und ging weiter.
    Überall flammten die Fackeln auf, und unwillkürlich mußte er an die Feuer denken, in denen Hexen und Ketzer brannten, damit ihre Seelen gereinigt wurden, gemäß einem berühmten Wort des heiligen Thomas von Aquin: »Weil aber unter den Elementen das Feuer das wirkkräftigste ist, Vergängliches zu verzehren, darum wird die Hinwegnahme der Dinge, die im künftigen Stande nicht bleiben dürfen, auf die gemäßeste Weise durch Feuer geschehen. Und so heißt es nach dem Glauben, daß die Welt am Ende durch das Feuer gereinigt werden wird.« Aber soviel Stolz Jakob auf den berühmten frühen Ordensbruder fühlte, so beschämt war er, daß es mit Sprenger und Institoris ebenfalls Dominikaner gewesen waren, die Papst Innozenz die Hexenbulle Summis desiderantes abgeschwatzt, den Hexenhammer geschrieben und damit die Verfolgung vieler Frauen eingeläutet hatten.
    Jakob war froh, aus der Düsternis der Gasse heraustreten zu können. Mit weit ausgreifenden Schritten ging er über den Platz zu Giuseppes Schenke, und an einem der Tische gab ein Handwerker mit einer leichten Verbeugung seinen Schemel frei. Jakob lächelte und setzte sich. Giuseppe winkte. »He, Tedesco, durstig?«
    Jakob nickte. Er saß noch nicht lange, da löste sich aus der plappernden Schar der Dirnen ein Mädchen und kam auf ihn zu. Ihr weißes Kleid war abgetragen, verriet aber den Glanz besserer Tage; ihr Haar verbarg sie unter einem Kopftuch, und je näher sie kam, um so weniger glich sie den Huren von Campo de Fiori. Dann stand sie vor ihm und blickte ihn mit beinahe flehenden Augen an, ohne allerdings ein Wort zu sagen.
    »Was willst du, mein Kind?« fragte Jakob und gab seiner Stimme einen mitfühlenden Klang. Sie war kaum älter als vierzehn und schien noch im Stand der Unschuld.
    »Bist du auf der Suche nach Engeln?«
    Jakob überlegte fieberhaft, wer dieses Mädchen zu ihm geschickt haben könnte; sollte einer aus den Kreisen der Lüstlinge dahinterstecken, verriete er sich, wenn er ablehnte; andererseits konnte dies eine weitere Falle desjenigen sein, der ihm möglicherweise Antonias Tod in die Schuhe schieben wollte. Hatte nicht jenes alte Weib, dem er den Hinweis auf die Via de Barbiere verdankte, auch nach Engeln gefragt?
    »Nur nach solchen, die in Gefahr sind, mein Kind; und nach den Engeln des Himmels selbstverständlich«, antwortete er ernst. »Wenn du Hilfe brauchst, dann sag es mir; ich werde tun, was ich kann.«
    »Meine Tante ist tot«, flüsterte Serena. »Sie hat für mich gesorgt. Jetzt bin ich allein mit ihrem Bambino, und die anderen sagen, ich solle das Arbeiten lernen.

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