Der Engel Der Kurie
üblich gekauft und dafür angeblich eine horrende Summe aufgebracht; man spricht von zehn- bis zwanzigtausend Scudi, die er dem Vizedatar ausgehändigt haben soll, obwohl er aus einer vollkommen unbedeutenden Familie stammt, unterster Adel sozusagen. Lediglich die glückliche Verbindung seines Großvaters mit dem Vater von Alessandro und Giulia ermöglichte Trippa eine Ausbildung bei den Dominikanern, wo er übrigens nie ein Gelübde abgelegt hat.«
Serena schwirrte der Kopf. »Sag mal, woher weißt du das alles?«
»Mein Vater«, erklärte der Junge mit einem überlegenen Lächeln, »ist Suppliken-Referendar in der Kanzlei des Vatikan, und auch wenn er sich weigert, mich anzuerkennen, weil ihm meine Mutter vor meiner Geburt die Treue aufgekündigt und sich andere Männer genommen hatte, plaudert er gerne bei einer Karaffe Wein mit mir. Eigentlich müßte ich sagen, er ist ein Schwätzer; ja, das ist die Wahrheit.«
»Und wer, bitte«, fragte Serena eingeschüchtert, »sind Alessandro und Giulia?«
»Das weißt du nicht? – Die berühmte Giulia, Bella Giulia, kennst du nicht?«
Serena schüttelte den Kopf; sie kam sich dumm vor.
Luigi setzte ein hochmütiges Gesicht auf: »Sie fickte den alten Alexander und machte damit ihren Bruder zum Kardinal.« Er grinste; offensichtlich fand er Gefallen an seiner derben Ausdrucksweise.
»Luigi meint Alessandro Farnese«, fiel Cesare seinem Freund ins Wort, »von dem es heißt, daß er der nächste Papst werden wird.«
»Also Farnese«, stellte Serena fest und begriff allmählich die Verwicklungen, die Luigi angedeutet hatte.
»Alles klar?« fragte Luigi, und als Serena nun nickte, fuhr er fort: »Die Verbundenheit zu den Farnese hat Tradition bei der Familie Trippa, und so kam es nicht von ungefähr, daß der Monsignore nach dem letzten Konklave für Ottavio einen geheimen Sekretär abgab und zum Ausgleich ein Kirchengut bei Cerveteri erhielt. Allerdings wirft diese kleine Pfründe kaum zwanzig Scudi im Monat ab; das mag ausreichen, um in der Kurie ein passables Leben zu führen, aber damit läßt sich nie und nimmer ein Vermögen anhäufen.«
»Wie konnte er dann so viel für das Kanzleiamt bezahlen?«
»Mit Gift«, flüsterte Luigi geheimnisvoll. »Mein Vater sagt, Trippa habe Alessandros Mutter das Gift verabreicht, an dem sie starb, und ganz nebenbei sei Alessandros jüngste Schwester zum Herrn geschickt worden. So mehrte sich der Reichtum von Alessandro und Ottavio, und Alessandro war zugleich den Familienärger los, der ihm wegen gewisser fleischlicher Vorlieben über den Kopf zu wachsen begann.«
»Was für Vorlieben?« raunte Cesare und leckte sich die Lippen vor Aufregung.
»Alessandro, so heißt es, wohnte seiner jüngsten Schwester bei und schwängerte sie; der Bankert hätte ihm in der Kurie geschadet; er mußte also handeln. – Trippa jedenfalls soll der willfährige Handlanger gewesen sein, nicht zu seinem Schaden. Zwei Becher Gift bringen fünftausend Goldscudi, darauf können wir wetten. Wenn der Monsignore schlau war, hat er gute Geschäfte mit diesem Vermögen gemacht und seinen Lohn im Laufe der Jahre verdoppelt.«
»Sind die Morde so lange her?« fragte Serena.
»O ja«, erwiderte Luigi, »das alles passierte während des Konklave nach Julius. Die Farnese sind schlau. – Selbst wenn die Morde aufgeklärt worden wären, hätte Alessandro gewiß an jener Amnestie teilgehabt, die Leo nach Abschluß der Sedisvakanz verkündet hat.«
Serena blickte ihn mit fragenden Augen an, traute sich jedoch nicht mehr, eine Frage zu stellen.
Luigi lächelte gönnerhaft; er war in seinem Element: »Also, die Sedisvakanz ist die Zeit zwischen zwei Päpsten. Da kannst du in Rom tun und lassen, was du willst. Du kannst stehlen, rauben, schänden und sogar morden, denn es gibt keine gerichtliche Gewalt; kein Governatore und kein Caporiono werden ein Verbrechen verfolgen, weil sie Angst haben, vielleicht einen Parteigänger des neuen Papstes zu belangen und sich nach dem Habemus papam den Zorn des neuen Herrn zuzuziehen. Damit aber alles seine Ordnung hat, verkündet jeder neue Papst für die Zeit zwischen seiner Wahl und dem Tod seines Vorgängers eine Befreiung von allen Strafen. Wer immer also ein übles Verbrechen plant und sich ein wenig gedulden kann, der wartet auf die nächste Sedisvakanz; dann kann er ungestraft zuschlagen.«
»Das ist ja schrecklich«, murmelte Serena. »Wo bleibt da die Gerechtigkeit?«
»Es gibt keine Gerechtigkeit in Rom«,
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