Der Engel Der Kurie
Trippa und nahm das Mordwerkzeug in die Hand. »Schweres Silber«, murmelte er, »der Kerl muß kräftig sein.«
»Er wird nicht unerkannt geblieben sein«, warf Jakob ein. »Wir müssen alle Bediensteten des Haushalts fragen, wer heute beim Kardinal war.«
»Das ist deine Aufgabe«, erklärte Trippa. »Wir schaffen die Leichen in meinen Keller, allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit, um jedes Aufsehen zu vermeiden.« Er winkte den Sbirro herbei und erteilte ihm kurze Anweisungen, während Jakob sich an eine ältere Frau wandte, die im Flur stand und alles genau beobachtete. An ihrem Habitus vermeinte er, in ihr die Haushälterin zu erkennen.
»Die Sünderin kam zur dritten Stunde«, erklärte sie zögernd auf seine Frage. »Sie kam hereingeschlichen und huschte sofort in das hintere Gemach. Seine Exzellenz wünschte, nicht gestört zu werden, wenn unsaubere Weibsbilder zum Beichten kamen. – Ein Mahl plante ich nach den Wünschen seiner Exzellenz für die siebte Stunde, weshalb ich dann die Toten entdeckte, weil ich anklopfte und melden wollte, daß alles gerichtet sei. – Dazwischen blieb mein Herr ungestört, alles Personal hielt sich von den Gemächern fern. Es ist auch niemand ins Haus gekommen, die Tür war die ganze Zeit verschlossen.«
»Du hast keinen Besucher eingelassen?« fragte Jakob.
»Nein.«
»Und keiner hat das Haus verlassen?«
»Nein.«
»Wie viele Diener und Lakaien gibt es in diesem Palazzo?«
Die Haushälterin zählte leise durch und nahm die Finger zu Hilfe; sie zählte zweimal; ihre Bewegungen waren fahrig.
»Siebzehn«, antwortete sie.
»Konnte jeder ungehindert in die beiden Gemächer dahinten?«
»Si, aber es ist niemandem gestattet; zum Beichtzimmer Seiner Exzellenz hatten nur ich und die beiden Zimmermädchen Zutritt, und selbstverständlich der Sekretär des Kardinals.«
»Hatten sie keinen Zutritt oder durften sie nicht hinein?«
»Sie durften nicht hinein.«
»Sie hätten es aber gekonnt?«
»Gewiß, doch niemand hat diese Regel je verletzt.«
Jakob machte ein betrübtes Gesicht und bat die Haushälterin, sie möge ihm der Reihe nach jeden Bediensteten des Hauses schicken, damit er sie alle befragen könne.
»Ich weiß nicht …«, stammelte sie, »ob noch alle da sind, manche haben Ausgang heute, es …« Sie nickte resolut und ging, ihm den ersten Diener zu schicken, ein schmächtiges Männlein, dem man auf den ersten Blick ansah, daß es gar nicht die Kraft hatte, jemand mit einem schweren Silberleuchter zu erschlagen. Auf die Befragung, wer möglicherweise Gelegenheit gehabt habe, unbemerkt in die hinteren Gemächer zu gelangen, gab der kleingewachsene Mann sich verstockt. Den anderen Bediensteten war ebensowenig zu entlocken.
Nach zwei Stunden vergeblicher Befragung gab Jakob auf, zumal er von einer fiebrigen inneren Unruhe getrieben wurde. Er mußte Claudia treffen. Unterschwellig fürchtete er, sie könnte tatsächlich die Tote im Kardinalsbett sein; und sooft er diesen Gedanken verwarf, so oft tauchte er wieder auf und verursachte ihm Übelkeit.
Also verließ Jakob den Palazzo Nicosia und stürmte durch die Stadt in die Via de Barbiere.
Wenn dieses römische Gesindel so verstockt ist, dachte er und trat auf das schmale Haus zu, dann muß ich den Fall doch vor das Tribunale criminale del Governatore bringen; dann stecken wir die Störrischen in den Corte Savella und warten, bis die Kerkerluft ihre Zunge löst. Grimmig schlug Jakob den Klopfer gegen die Tür. Die bucklige Alte öffnete erschrocken.
»Ich will zur Signora«, raunte er ihr zu.
Sie nickte und ging durch das düstere Treppenhaus voran. Wieder knarrten bei jedem Schritt die grauen Holzdielen, und wieder öffnete sich die im Winkel versteckte Tür wie von Geisterhand. Diesmal jedoch zögerte Jakob nicht, sondern ging über die steile Wendeltreppe zwei Stockwerke hinauf in den Salon mit den Seidentapeten.
Ungeduldig warf er sich in den Ledersessel und behielt die Flügeltür im Auge, durch welche die Bucklige wieder verschwand. Er war gespannt, ob Claudia überhaupt kommen und wie sie auf seine Anwesenheit reagieren würde.
Dann stand sie plötzlich in der Tür: glanzvoll gekleidet im Habito romano aus Damast und sittsam den Panno listato übergeworfen, jenen zarten Schleier, den die Patrizierinnen beim Kirchgang trugen. Ihr Haar glänzte weich unter dem Schleier und rahmte ihr Gesicht. Sie sah wirklich wie ein Engel aus. Sie lächelte. Jakob lächelte ebenfalls, aber es blieb ein
Weitere Kostenlose Bücher