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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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gequältes Lächeln, denn nach der Freude über ihren Anblick bestürmte ihn ein heftiger Schmerz. In Claudias Antlitz spiegelte sich tatsächlich das Gesicht jener Toten auf dem Bett des Kardinals.
    »Habt Ihr …«, fragte Jakob heiser, »habt Ihr eine Schwester?«
    Claudia betrachtete ihn verblüfft. »Seid Ihr gekommen, um mir diese Frage zu stellen?«
    »Antwortet, bitte«, flüsterte Jakob gequält.
    »Ja, ich habe eine Schwester«, antwortete Claudia und lächelte unschuldig.
    »Wißt Ihr, wo sie sich aufhält?«
    »Nein, sie ist wie ein Schmetterling und flattert von Blüte zu Blüte.«
    »Ist ihr Name Lydia?«
    »Wollt Ihr ein Ratespiel mit mir spielen?« erwiderte Claudia mit kokettem Augenaufschlag.
    »Hat Eure Schwester kürzlich den Kardinal Aldobrandino Orsini aufgesucht? Im Palazzo Nicosia?«
    »Ich weiß nicht, wer ihr Beichtvater ist, doch hält sie es mit ihrem Glauben sehr genau, wie es sich für eine der Kurie verbundene Dame gehört.«
    »Führt Eure Schwester den Titel einer curialis romanam curiam sequens ? Führt Ihr den Ehrentitel auch?«
    »Warum stellt Ihr so viele Fragen, werter Mönch?« Ihr Lächeln wirkte so geheimnisvoll, daß Jakob beinahe der Atem stockte.
    »Am besten«, entgegnete er tonlos, »Ihr kommt mit mir zum Palazzo Nicosia; Ihr werdet dort etwas sehen, das Euch vermeinen läßt, Ihr würdet in den Zerrspiegel des Antichrist schauen.«
    Ein Schatten schien über ihr Gesicht zu huschen, dann fragte sie scheinbar unbeteiligt: »Was werde ich da sehen?«
    »Eine Tote, die Euch so ähnlich sieht, als hätte sie mit Euch in einer Eihaut gelegen.«
    Claudia erbleichte unter ihrem Schleier. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Ihr erschreckt mich.«
    »War Eure Schwester heute bei Orsini, dem alten Kardinal?«
    Claudia starrte ihn an, wobei ein heftiger werdendes Atmen ihre Brust bewegte. »Ich werde mitkommen«, flüsterte sie. »Wartet eine Kutsche auf Euch?«
    Jakob mußte unwillkürlich lachen, ja, er lachte lauthals los und ließ die ganze Anspannung heraus, die ihm die Brust zugeschnürt hatte. Claudia schaute ihn fragend, dann zornig an, doch Jakob konnte nicht anders, als weiterzulachen. Schon als Kind war es ihm gelegentlich so ergangen, daß er in einem ernsten Augenblick in Gelächter ausgebrochen war. In solchen Momenten schien ihm die Last des Schicksals auf wahnwitzige Art zu drückend, und das Lachen war das einzige Mittel, sich dagegen zu wehren. Kein Dominikanermönch hatte je eine Kutsche benutzt, wie es Kardinäle, Bischöfe, Patrizier und auch Kurtisanen so selbstverständlich taten, denn eigentlich waren solche Fahrten untersagt; aber wen bekümmerten schon die Vorschriften des sittenstrengen Hadrian?
    »Hört auf!« rief Claudia wütend. »Wir werden also zu Fuß gehen.«
    Jakob verstummte endlich und stand auf, aber Claudia bedeutete ihm, er solle sich wieder hinsetzen, und eilte zur Flügeltür hinaus. Jakob blickte ihr nach und rieb sich das Kinn; er schämte sich für sein so unangebrachtes Lachen und fühlte sich in den Studentenkonvent zu Ingolstadt zurückversetzt, als er bei der Totenmesse für seinen Freund Eberhard gelacht hatte.
    Wortlos hatte ihn der Pfarrer damals mit düsterem Blick aus der Kirche gewiesen. Erst draußen, vor dem Gotteshaus, hatte ihn ein heftiger Weinkrampf geschüttelt. Wie so viele im Jahr 1519 hatte die Pest Eberhard dahingerafft. Ein Schauder lief Jakob über den Rücken, als er an die leeren Straßen dachte, einzig bevölkert von den schwarzen Männern mit ihren Leichenkarren. Bei jedem Ziehen in den Schläfen oder den Leisten hatte man das Schlimmste befürchten müssen. Doch an Jakob war der Schwarze Tod noch einmal vorbeigegangen, während Eberhard regelrecht bei lebendigem Leibe verfault war.
    Plötzlich stand Claudia wieder in der Tür. Sie trug Männerkleidung.
    »Jetzt können wir gehen«, sagte sie.
    Jakob nickte; er wußte, daß die Kurtisanen Roms sich oft in Hosen und Wams warfen, um ungehindert durch die Straßen zu gelangen, vor allem nachts, wo es einer Signora nicht zu raten war, ohne Begleiter herumzugehen. Trotzdem fand Jakob den Aufzug Claudias anstößig und aufreizend, und er starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. Sie trug das Wams eines Edelmannes, das so fest geschnürt war, so daß man ihre Büste höchstens ahnen konnte; für den unbefangenen Betrachter sah sie wie ein muskulöser, ein wenig klein geratener Bursche aus.
    »Was schaut Ihr mich so an?« fauchte Claudia.
    »Es ist wider

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