Der Engel Der Kurie
besonders verbunden. Der Kanzler wird uns den Kopf abreißen, wenn er erfährt, daß unser Verrückter Aldobrandino Orsini gemeuchelt hat.«
»Ihr überrascht mich«, entgegnete Jakob fassungslos und verärgert zugleich. »Die beiden letzten Wochen habt Ihr mit dem deutlichen Wunsch vergehen lassen, nicht mehr an den Fall zu rühren.«
»Du hast recht«, erwiderte Trippa voller Reue. »Doch wer konnte ahnen, daß der Verrückte sich an einem Purpurhut, noch dazu einem Orsini, vergreifen würde?«
»Unser sogenannter Verrückter, lieber Monsignore, will ganz offenkundig ein Zeichen setzen und hat eine Botschaft für uns. Solange wir diese Botschaft nicht entschlüsseln, wird er nicht ruhen.«
»Du und dein Gerede von einer Botschaft«, erklärte Trippa unwirsch. »Hoffentlich kommt Moncada bald.« Dann beugte er sich vorsichtig und mit angewidertem Gesichtsausdruck über die tote Frau. Ihre geweiteten Augen zeigten trotz der Totenstarre ein weiches Blau, und ihr dunkelblondes Haar glänzte ausgereifte auf dem Laken. Mehrere dicke Strähnen bedeckten die unverletzte Brust, die sich straff und rund wie eine ausgewachsene Honigmelone aufbäumte. Die andere Brust aber, zerfetzt wie bei allen Opfern, bot einen solch schmerzhaften Anblick, daß Jakob unwillkürlich die Tränen kamen. Ein Schleier legte sich über seine Augen, und er meinte gar, in der Toten eine Ähnlichkeit mit der geheimnisvollen Claudia zu entdecken.
»Dem Kardinal wurde der Schädel eingeschlagen«, bemerkte Trippa. Es klang teilnahmslos, doch hätte sich Jakob in dem Moment zu dem Kanzleinotar umgedreht, wäre ihm sicher nicht entgangen, wie überrascht der Monsignore auf Jakobs Gefühlsausbruch reagierte.
Obschon er vor einer Toten stand, ließ Jakob der Gedanke an Claudia wieder dieses warme, seltsame Gefühl tief in seinem Bauch spüren. Er fühlte, wie sein Mund trocken wurde, und er glaubte, nicht mehr atmen zu können, wie ein Schwimmer, der im Meer versank.
Dann kam Moncada und stellte nüchtern fest, daß die tote Hure alle Zeichen der bisherigen Opfer trage. Allerdings entdeckte er keine Spuren irgendwelcher gemeiner Quälereien, weder blaue Flecken noch Verletzungen des Anus. Vorsichtig führte der Medicus einen Löffel in das geheimste Fleisch ein und holte Samen hervor, hielt inne und beförderte noch mehr Samen zu Tage. Schließlich besah er sich dann das faltige Skrotum des alten Kardinals.
»Mag sein«, bemerkte er, »daß Orsini sich mit der Dirne vergnügt hat, aber den Samen hat ihr ein anderer eingepflanzt; der Kardinal war ein ausgedörrter Brunnen.«
»Bist du sicher?« fragte Trippa.
Der Medicus nickte. »Der Kardinal spendete höchstens einen Tropfen, doch ich finde einen ganzen Kelch.«
»Dann hat der Mörder sich an der Toten vergangen.«
Moncada schwieg eine Zeitlang und rieb sich die Nase. »Nein, es geschah, als sie noch lebte.«
»Und der Kardinal?«
»Wahrscheinlich«, brummte der Medicus, »lebte er auch.«
»Du meinst, sie taten es zu dritt?« fragte Trippa fassungslos.
»Genau das vermute ich«, entgegnete der Arzt und nahm Orsini die Mitra ab. Innerhalb des silbrigen Haarkranzes klaffte ein großes Loch, in dem sich eine graue Masse mit Blut vermengte. »Der Mörder hat mit diesem Leuchter zugeschlagen.« Moncada deutete auf einen schweren Silberständer, der blutverschmiert am Kopfende des Bettes lag. »Der Kardinal ist sofort zu seinem Herrn in den Himmel hinaufgefahren.«
»Wen wird der Täter zuerst ermordet haben?« fragte Jakob. »Ich sehe keinerlei Spuren eines Kampfes. Nichts deutet auf Flucht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Dirne ruhig liegen blieb, während der Wüstling den Kardinal erschlug.«
»Es sei denn«, bemerkte Trippa, »sie steckte mit dem Mörder unter einer Decke.«
»Verzeiht, Monsignore, aber das halte ich für eine abwegige Annahme.«
»Wenn man annimmt, daß wir es hier mit unserem Verrückten zu tun haben und dies nur einer der Morde ist, mit denen er uns eine Nachricht hinterlassen will, magst du im Recht sein. Aber bedenke: Es könnte sich ein ganz anderer, der es nur auf Orsini abgesehen hat, zur Vertuschung seiner Spur des Musters unseres Verrückten bedient haben.«
»Der Medicus hat schon bei der Leiche im Aventin festgestellt, wie schwierig es ein Nachahmer hätte, die gleichen Wunden zuzufügen. Außerdem ist über die Art der Wunden nicht viel geredet worden.«
Moncada nickte stumm.
»Gleichwohl sollten wir dieser Überlegung nachgehen«, beharrte
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