Der Engel Der Kurie
ihm gegenüber verändert hatte, kaum hatte sie ihre tote Schwester gesehen. Kein Hochmut mehr, keine Zurückweisung; das Leid hatte ihr Herz geöffnet. Konnte eine gute Seele Kurtisane und Kupplerin sein?
Mit dem Bischof an seiner Seite, der langsam wieder zu Kräften kam, schritt Jakob über die schmucklose Brücke vor der Engelsburg. Zwei der Söldner gingen voraus, denn die Brücke war schmal und bot Gesindel eine gute Gelegenheit für einen Überfall. Der dritte Wachmann stützte Frangipane. Unbehelligt gelangten sie an das andere Ufer und erreichten Frangipanes Haus, das nur zwei Eingänge von Trippas Unterkunft entfernt lag. Auf ihr Klopfen öffnete ein junger Kaplan die Tür, der sich sogleich des Kranken annahm. Garilliatis Söldner kehrten zurück.
Jakob nickte dem Kaplan zu. Gemeinsam führten sie Frangipane in dessen Schlafgemach.
»Was ist geschehen?« fragte der Kaplan voller Unruhe.
»Der Bischof ist knapp einem Giftanschlag entkommen«, antwortete Jakob knapp.
Mit vereinten Kräften legten sie den Bischof auf sein Bett. »Wir sollten einen Medicus holen.«
Jakob nickte: »Schickt nach Monsignore Trippa; er soll Moncada kommen lassen.«
Ehe Jakob den Kaplan nach seinem Namen fragen konnte, war er mit dem Bischof allein, der wie ein Häuflein Elend auf dem Bett lag. Frangipane schaute ihn an. Seine Augen wirkten trüb.
»Danke«, krächzte er und wollte offenbar etwas hinzufügen, das ihm nur schwer über die Lippen kam, als sein Sekretär zurück ins Zimmer stürmte und von Jakob mit flackerndem Blick einen Bericht verlangte. Sein Haar hing ihm wirr ins Gesicht, seine Mundwinkel zuckten, und unablässig leckte er sich mit der Zunge über die Lippen. Eine seltsame Wirkung ging von ihm aus. Wie jener sogenannte Narr Christi, dachte Jakob, den der Pöbel vor einiger Zeit am Zirkus Maximus erschlagen hatte, aber das mochte an der Aufregung über den verletzten Herrn liegen. Jakob erzählte von dem verdächtigen Diener mit dem Weinkrug und dem armen Hund. Als er den Todeskampf des Tieres schilderte, traten dem Kaplan Tränen in die Augen.
»Ich gestehe«, schluchzte er, »daß mich von allen Geschöpfen Gottes das Schicksal eines Hundes immer besonders anrührt.«
»Wie lautet Euer Name?« fragte Jakob und strich dem Geistlichen tröstend über die Schulter.
»Ich heiße Ennea und bin der persönliche Sekretär des Bischofs.« Der Geistliche wischte sich über das Gesicht.
Im nächsten Augenblick pochte es unten an die Tür, und gemeinsam stürmten Trippa und Moncada ins Haus. Der Medicus ließ sich von Jakob nochmals in allen Einzelheiten den Todeskampf des Hundes schildern, woraufhin Ennea fluchtartig den Raum verließ; noch einmal mochte er sich die Geschichte dieses Leidens nicht anhören. Moncadas Gesicht wurde ernst. Er zerrieb einige Kräuterblätter in eine Schale mit Wasser, gebot Jakob, Frangipane etwas anzuheben, und flößte dem Kranken den Trunk ein. Dann fühlte er den Puls an Handgelenk und Hals, prüfte die Temperatur an der Stirn durch Handauflegen und betrachtete die herausgestreckte Zunge. Frangipane schien sich rasch zu erholen; wie die Morgenröte die Sonne flieht, so wich die Bleiche aus seinem Gesicht.
»Cantarella«, bemerkte Moncada und legte Frangipane respektlos die Hand auf die Schulter. »Gut, daß Ihr gekotzt habt. Ihr habt eine Konstitution wie Cesare Borgia; außer ihm selbst überstanden die wenigsten sein giftiges Gebräu.«
Jakob erblaßte, doch Frangipane konnte schon wieder lächeln. »Schade«, sagte er und zwinkerte Jakob verschwörerisch zu, »daß ich mich nicht mehr an Garilliatis Früchte laben konnte.«
»Ihr solltet vor morgen Mittag nichts essen außer diesen Kohleklumpen, Exzellenz«, bemerkte der Medicus mit ernstem Timbre in seiner Stimme. »Die Kohle saugt, so habe ich es von einem maurischen Physicus gelernt, das Teufelsgebräu von Arsenicum auf. Da Ihr nicht mehr viel im Magen haben werdet, ist bis morgen alles überstanden.«
»Doch nun sagt«, meldete sich Trippa zu Wort, »wer Euch nach dem Leben trachtet?«
»Das, lieber Monsignore, sollst du mir beantworten«, erwiderte der Bischof. In seiner Stimme lag die Selbstsicherheit des Kirchenfürsten, für den es eine Selbstverständlichkeit war, einem anderen Befehle zu erteilen.
Trippas kalte Augen blitzten, und Jakob befürchtete, der Kanzleinotar könnte jeden Augenblick explodieren wie chinesisches Schwarzpulver, doch Trippas Antlitz glättete sich, und er entgegnete mit süßlicher
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