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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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seiner Kleider, hielt das Gefühl seiner Herrlichkeit Leo, der eben noch Giovanni Medici gewesen war, aufrecht, und er hielt durch bis zum Lateran, wo er festlich speiste, kehrte durch die alte Stadt über den Campo de Fiori zurück und nächtigte in der Engelsburg, ehe er am anderen Tag sein Regiment begann und nur allzubald jenen Giulio Medici zum Kardinal erhob, der nun als Clemens VII. die Tiara trug.
    Ja, dachte Jakob, hier auf der Engelsbrücke, im Angesicht des Mausoleums von Kaiser Hadrian, werde ich der Geschichte gewahr und des Anfangs einer neuen Lüge; denn Leo machte den Bastard zum Sohn aus einer rechtmäßigen Ehe zwischen Julian und Floretta und ließ dies bezeugen; ein verfluchter Meineid; Clemens aber wurde diesen Fluch nicht los.
    Jakob erschrak. Ihm war, als wäre das Bild von einer in Trümmer liegenden Stadt Rom vor seinem Auge erschienen. Der spanische Vizekönig stand in Gaeta, und der Rachsucht der Colonna war bereits die Stadt Ceprano zum Opfer gefallen.
    Man schrieb den 8. Dezember 1526. Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken; es würde noch ein schöner Tag werden.
    Jakob beschloß, Claudia aufzusuchen, um endlich mehr über das Geheimnis der Engel zu erfahren.

Das Geheimnis der Engel
    Ihr Kleid war schlicht; das Leinen schwarz gefärbt und vor der Brust geschnürt wie bei den einfachen Weibern vom Markt, die sich keine Kammerzofe leisten können. Die Haut war bedeckt bis an den Hals, und um den Hals selbst trug sie ein Seidentuch. Der Schleier der Römerinnen verbarg ihre Gesichtszüge. Als Jakob eintrat, verbeugte sich Claudia und legte die rechte Hand auf ihre Brust zum Zeichen ihrer Demut gegenüber einem Priester. Dann kauerte sie sich in den Sessel des verschwiegenen Lederzimmers und wartete, bis Jakob die erste Frage an sie richtete.
    »Du hast also Engel an aristokratische Herren vermittelt?« Claudia sah ihn lange an und kämpfte sichtlich mit ihrer Antwort.
    »Auch wenn ich etwas Unehrenhaftes getan habe«, flüsterte sie, »bin ich doch eine Signora onesta und halte auf meine Ehre. Ich bin in der Tat eine curialis romanam curiam sequens . Doch habe ich schon vor zwei Jahren aufgehört, eine Cortigiana zu sein, und lebe in diesen Gemächern sehr zurückgezogen. – Ach, wenn du wüßtest«, seufzte sie und blickte ihn lange an.
    »Was sollte ich wissen?« fragte Jakob und beugte sich gegen Claudia vor. »Du kannst mir alles erzählen, ich werde dich nicht verurteilen.«
    »Was bedeutet ein Urteil in Anbetracht des Schicksals?« Eine gute Frage, dachte Jakob und schwieg. Er wich ihrem Blick aus und fand einen Punkt in ihren Haaren, wo sich am Ansatz eine graue Strähne zeigte, die mit einer Stickerei in ihrem zarten Panno listato die Figur eines Drachen abgab. Er wollte sich nicht in ihren Augen verlieren, ja, er wollte sich keinesfalls einlassen auf diese Frau, die ihn bereits in seinem Innersten angerührt hatte. Deshalb hatte er sich auf seinem Weg von der Engelsbrücke herüber vorgenommen, Claudia alle Fragen zu stellen, die ihn rund um die toten Huren beschäftigten, um sie danach nie wieder aufsuchen zu müssen. Wollte er seinen mönchischen Seelenfrieden bewahren, mußte er die Begegnung mit dieser Frau meiden. Aber wie, wenn ihn allein ihre Stimme anrührte wie Sirenengesang?
    »Es war Schicksal. Über alle Maßen habe ich ihn geliebt und mich ihm hingegeben, doch so herzlos, wie er zehn Jahre davor die berühmteste von uns allen verließ, verließ er auch mich einer jüngeren wegen. Da erst verstand ich den Schmerz der großen Imperia, der sie in die Schwingen des Todesvogels trieb. O ja, für Angelo lohnt es sich zu sterben, denn mit ihm wird der ganze Körper zu Leidenschaft und Gefühl.« Claudia zog ein Tüchlein aus einer Rocktasche und schniefte, ehe sie stockend weitersprach. »Aber ich wollte leben. Mit meiner Schwester wollte ich leben. Lydia genoß ihren frischeren Ruhm als Galantdonna und blühte mit der Zahl ihrer Liebhaber auf, während ich mich auf die Rückseite des Hauses zurückzog. Wir bauten die Gemächer aus und folgten dem Rat eines guten Freundes, die Bequemlichkeit zu steigern; wir setzten ein Dampfbad in die unteren Räume und nahmen einige der jungen Dinger auf, die von überallher ihren Weg nach Rom finden, um hier ihr Glück als Kurtisanen zu versuchen. In den oberen Stockwerken richteten wir einen Festsaal und Gemächer zum intimen Gebrauch ein sowie einen Saal für das Glücksspiel, welches Kleriker und Aristokraten so gern mit der

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