Der Engel Der Kurie
Garilliati beweisen, der offensichtlich bereit war, Jakob den riesigen Betrag von eintausend Scudi auszuzahlen, weil er glaubte, Jakob benötige das Geld für erotische Abenteuer.
Jakob erhob sich, als Frangipane seine Hand zurückzog. Flaminia lächelte ihn erwartungsvoll an. Jakob faßte sie um die Hüften und führte sie zu der Wand, die in eine täuschend echt aussehende Ebene hinauszuweisen schien.
»Siehst du, wie gekonnt hier der Eindruck entsteht, dies wäre Landschaft«, erklärte er mit belegter Stimme und ärgerte sich darüber, daß seine Worte alles andere als geistreich klangen. Die Rothaarige nickte und preßte ihre Hüfte gegen seinen Oberschenkel.
Zum Glück betrat Baldassare nun den Felsensaal und führte einige patrizische Jünglinge und mehrere Huren im Schlepptau. Sie stürmten auf die Wand zu und bestaunten das Werk des Künstlers, was Baldassare dazu aufstachelte, einige Anekdoten zum besten zu geben. Die Jünglinge und Dirnen hingen förmlich an Peruzzis Lippen, und wenn ihm eine Szene besonders gelang, klatschten alle begeistert. Baldassare besaß dramatisches Talent. Nebenbei erfuhr Jakob, daß er seine Kunst auch als Bühnenmaler umsetzte; die vielfach bestaunte Dekoration zu Bibienas Aufführung von Calandria in Urbino hatte kein geringerer als Peruzzi gemalt, der sich seit Jahren im Glanz der Bauhütte von Sankt Peter sonnte, die er in der Nachfolge von Raffael leitete. Er verstand Sinnlichkeit und Komik miteinander zu kombinieren, und seine Geschichten waren ebenso nach dem Geschmack der Gäste wie seine Malerei.
»Fürwahr«, rief er lachend im Kreis seiner Freunde und Bewunderer, »solch ein Gemälde herzustellen ist beinahe so ein Vergnügen, wie mit hübschen Jungfrauen und Jünglingen auf der Wiese zu liegen und besten Wein zu genießen. Der Buonarroti dagegen mußte verdammte Buße tun, damit der alte Julius, Gott habe ihn selig, ihr Zerwürfnis befriedete; ich selbst habe den Griesgram im Gewölbe der Sixtina fluchen hören über die unwürdigen Umstände, sich auf dem zugigen Holzgestell Rücken und Arme zu verkrümmen, und wenn ihm Farbe ins Gesicht kleckste, brüllte er seinen Zorn hinaus. ›Unwürdig ist es der Schöpfung, gemalt zu werden‹, maulte er, als wir uns bei Bramante über neue Pläne für Sankt Peter trafen. ›Die Schöpfung gehört in Marmor gemeißelt wie mein David. – Und du‹, wobei er mit blutunterlaufenen Augen auf meinen Lehrmeister starrte, ›hast mir das eingebrockt, daß ich mich solcherart erniedrigen muß!‹«
Peruzzi rieb sich lachend die Hände, doch dann wurde er ernst und pathetisch: »Aber was, meine Freunde, hat Michelangelos großer Geist erreicht! Wie gemäßigt hat er die Überfülle seiner Kraft und so der Malerei ein plastisches Gleichgewicht gegeben! Es ist, als hätte das Genie fluchend und zürnend dort oben im Gewölbe Gott selbst die Hand geliehen, um das Größte zu malen, was je von menschlicher Farbe gestaltet wurde!« Baldassare breitete die Arme aus wie ein Priester und schwieg abrupt. Was für eine Lobrede auf den Maler Michelangelo, der eigentlich nur Bildhauer und Baumeister sein wollte!
Stumm und staunend umringten Jünglinge und Jungfrauen den immer noch schweigenden Maler, dessen Miene sich allmählich wandelte; ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Und unser lieber Bramante kochte, als er die Sixtina sah! Da hatte er gehofft, das auffliegende Genie des Toskaners zurechtstutzen und den wunderbaren Bildhauer als Maler bloßstellen zu können, und dann erweist sich Buonarroti als Triumphator.«
Die Traube um Baldassare Peruzzi war immer größer geworden. Auf einmal entdeckte Jakob in der Schar derer, die dem Künstler an den Lippen hingen, jenen Fremden aus dem Freudenhaus, den Garilliati umarmt und den Peruzzi Carlos genannt hatte. Unauffällig trat er an den jungen Mann heran.
»Ist es dir möglich, Carlos, mich auf ein paar Worte in eine ruhige Ecke zu begleiten?« flüsterte Jakob, als er sich neben ihn geschoben hatte.
Der Jüngling sah ihn erstaunt an. »Was kann ich für Euch tun, Bruder?«
»Einige Antworten kannst du mir geben, Carlos; wenn wir es im stillen machen, erspart es dir einen Besuch in der Casa Santa.«
Carlos erbleichte.
»Kommst du mit mir?« fragte Jakob mit drohendem Unterton in der Stimme.
Er nickte. Sie verließen unbeobachtet den Haufen um Peruzzi, gingen zur Pforte des Felsensaals und schlüpften zur Tür hinaus. Draußen zog Jakob den jungen Mann in eine Nische am
Weitere Kostenlose Bücher