Der Engel Der Kurie
Hand zu haben, um sich die halbe Kurie gewogen zu machen. Sein eigentliches Trachten gilt einem anderen Ziel; Casale sinnt auf Großes.«
»Ich verstehe nicht ganz.« Jakob begriff, wie wenig er Rom noch immer durchschaute.
»Es tut auch nichts zur Sache«, wiegelte Frangipane ab. »Ich wollte dir nur sagen, daß dein Verdacht gegen Casale wenig begründet ist. Du mußt meine Feinde woanders suchen.«
»Und wo?«
»Zum Beispiel bei der Cestius-Pyramide. Du stehst auf vertrautem Fuße mit einem, der mich zum Teufel wünscht, und ich halte es durchaus für möglich, daß du ihm sogar Einsichten verschafft hast, die den Mordplan erst ausgelöst haben.«
»Ihr sprecht von Ambrogio Farnese?«
Frangipane lächelte. »Du hast ohne Zweifel Talent.«
»Aber ich habe mit Ambrogio niemals über Euch gesprochen.«
Der Bischof drohte Jakob mit dem Zeigefinger. »Das erscheint mir nicht ganz richtig. Wir waren gemeinsam auf seinem Fest, und während ich mich im Nebenraum vergnügte, dürftest du mit dem alten Fuchs einiges ausgeheckt haben, nicht wahr?«
»Wir haben Schach gespielt.«
»Und dabei habt ihr nicht über mich geredet?«
Jakob kam es vor, als lese Frangipane in ihm wie in einem offenen Buch. Wieder einmal glaubte er seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein. »Ambrogio hält Euch für einen Gehilfen von Fabricio Casale und hat mich vor Euch gewarnt. Ihr würdet mich, hat er gesagt, aus der Reserve locken wollen; ein einziger Fehler, schon wäre ich matt.«
»Der alte Fuchs«, brummte der Bischof mißmutig. »Hat er dich auf mich angesetzt?«
»Nein. Ambrogios Augenmerk gilt in erster Linie Casale.«
»Die Angst der Farnese vor den Medici. – Wer gewann das Schachspiel?«
»Ich.«
Erstaunt blickte Frangipane auf. »Respekt!«
»Wenn Ihr in Farnese Euren Feind vermutet, so sagt mir, mit wem Ihr es politisch haltet.«
Die Frage schien den Bischof zu überraschen. »Natürlich halte ich es immer mit dem jeweiligen Papst, mein Lieber. Doch wenn es um die Zukunft geht, dann halte dich mit mir an Pompeo Colonna. Es geht kein Jahr mehr ins Land, dann wird die Sache des Kaisers gerichtet, und die Palli sind keinen Pfifferling mehr wert.«
»Dann seid Ihr wirklich ein Gegner der Farnese«, bemerkte Jakob. »Hat Euch Trippa über meinen Auftrag ins Vertrauen gezogen?«
»Dein feiner Monsignore würde alles tun, um mir zu schaden; nein, ich bin dir ganz alleine auf die Schliche gekommen.«
»Auf welcher Seite steht Trippa?« fragte Jakob nun ohne Umschweife.
Frangipane wich seinem Blick aus. »Das läßt sich nicht so ohne weiteres feststellen. Zum einen ist er ein Mann der Farnese, aber Casale ist er spätestens seit diesem Jahr verbunden, als er das Amt des Kanzleinotars erhielt – und zwar zu einem Preis, der weit unter dem lag, den in der Kurie alle zu kennen vorgeben. Trippa ist die profane Wiedergeburt des Gottes Janus, und ich fürchte, er spielt uns alle gegeneinander aus. – Deshalb solltest du ihm gegenüber Stillschweigen wahren, was unsere Vereinbarung angeht.«
»Das werde ich tun. – Erlaubt Ihr mir noch eine Frage?«
Frangipane nickte.
»Die erste der ermordeten Huren hieß Paola, und es heißt, sie sei vor ihrem Tod bei Euch gewesen.«
»Das arme Ding«, flüsterte der Bischof und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Man hat sie am nächsten Abend schrecklich zugerichtet am Ende der Tiberina gefunden. Selten bin ich in ein Mädchen so vernarrt gewesen wie in Paola; sie war so unschuldig, wißbegierig und lustvoll; ihr Körper war ein Geschenk des Himmels. Ihre Haut war so zart, und sie roch nach Honig und Zitronengras. Ich vermisse sie jeden Tag und hatte sogar vor, sie zu mir ins Haus zu nehmen.« Der Bischof schwieg und trank Wein. Dann blickte er Jakob tief in die Augen. »An ihr habe ich mich wie an keiner anderen versündigt. Ich kasteite uns beide für das Übermaß an Lust, das wir genossen; durch die Leidenschaft zu ihr lernte ich Horaz verstehen: ›Mit Schmerz erkauft, ist Wollust teures Gift.‹ Ich habe sie schlecht behandelt«, flüsterte Frangipane, und es klang voller Reue. »Aber ich habe sie nicht getötet. Gott sei mein Zeuge.«
Jakob erwiderte nichts. Frangipanes Offenheit überraschte ihn, und als er Tränen in Frangipanes Augen sah, beschloß er, dem Bischof zu glauben.
»Bitte«, sagte Frangipane tonlos, »versuche herauszufinden, wer mir nach dem Leben trachtet; und wenn du wegen der toten Huren Fragen hast, komme jederzeit wieder. Ich werde dir keine
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