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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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Antwort schuldig bleiben.«

Von roten und schwarzen Kellern
    Rom rüstete sich für das Fest zur Geburt des Herrn und schmückte seine Kirchen. Die Kurie flehte um Frieden wegen der vorwärts drängenden Kaiserlichen, und viele Reiche hatten noch vor den weihnachtlichen Festtagen einen Teil ihrer Habe aus der Stadt geschafft, denn der spanische Vizekönig Lannoy, Kaiser Karls treuer Vasall, stand bei Frosinone und diktierte Bedingungen, die Clemens nicht annehmen konnte. Sowenig wie der Papst, der insgeheim Fluchtpläne schmiedete, sich auf die Heilige Nacht einstimmte, sowenig taten es die wahrhaft Mächtigen und Reichen; adventliche Vorbereitung blieb Sache des Volkes und des einfachen Klerus, der Pfarrer, Meßdiener und Kapläne und aller anderen, die den Glauben an Christus nicht verloren hatten. Die Menschen in den engen Häusern der Stadt, die Armen und Kranken, die Alten und die Kinder – sie alle erwarteten im ewigen Kreislauf des Kirchenjahres die Ankunft des Heilands und freuten sich auf ein In dulci jubilo bei der Verkündigung des Engels: »Fürchtet euch nicht, denn ich verkündige euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.« Sie bereiteten Geschenke füreinander vor, und sei es auch nur ein Stück Stoff, ein Streifen Leder oder ein Sack voller Walnüsse, und sie freuten sich auf den Prunk der Weihnachtsmesse in ihrer mit hundert Fackeln erleuchteten Kirche.
    Cesare führte Serena täglich in die Kirche Santa Maria del Popolo, die erst vor zwanzig Jahren von Bramante nach dem Geschmack und den Bedürfnissen der Augustiner gestaltet worden war. Die Mönche hatten die neue Idee von der Darstellung des Stalls zu Bethlehem besonders freudig aufgenommen und in einer Seitenkapelle schöne handgeschnitzte Figuren zur Schau gestellt. In der Betrachtung messianischer Verheißung fanden die beiden Trost für die Unbill des Schicksals, denn das Jahr 1526 bescherte allen einen kalten und nassen Winter; seit zwei Wochen regnete es unaufhörlich.
    Für Cesare, Luigi und die anderen wurde es immer ungemütlicher, denn allein ein trockener Schlafplatz erwies sich in der aufgewühlten Stadt als Luxus. Serena litt mit ihren Freunden und bedauerte, ihnen nicht helfen zu können, doch sie mußte froh sein, weiter bei Apollonia wohnen zu dürfen, ohne sich als Hure verdingen zu müssen – obgleich die Ruffiana sie ständig lockte. Aber durch das Geld des deutschen Dominikaners war Serenas Bleibe vorläufig gesichert.
    Serena war dem Mönch dankbar und setzte großes Vertrauen in ihn, hatte ihn aber seit beinahe zwei Wochen nicht gesehen, so daß sie sich bereits Sorgen um ihn machte und hoffte, daß ihm nichts geschehen war. Sie hätte ihm gern alle die Erkenntnisse mitgeteilt, die Luigi, Cesare und sie in den vergangenen sechzehn Tagen zusammengetragen hatten; vielleicht hätte er aus den einzelnen Teilen, die wirr und zusammenhanglos erschienen, ein Mosaik erstellt, aus dem sich ein sinnvolles Ganzes ergab, so wie die Cosmaten in vielen Kirchen Roms die Böden aus Tausenden kleiner Marmorteile zu neuen Gesamtschauen fügten.
    Trotz tagelanger Beobachtungen, trotz unzähliger Streifzüge durch den Borgo und trotz mancher Befragung von Wachleuten und Arbeitern hatten sie den Mörder der Huren nicht gefunden. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Beinahe schien es, als wollte die Welt die Morde vom Spätherbst vergessen, denn weder geschah seit jenem letzten Überfall, in den Luigi und Massimiliano rettend eingegriffen hatten, einer Puttana irgendein Leid, noch scherte sich irgend jemand um die fehlenden Mädchen; und als Serena vor einigen Tagen mit Luigi nochmals in Trippas Keller gestiegen war, fand sich in dem kalten Gewölbe keinerlei Hinweis auf die Verbrechen mehr. Luigis Eifer erlahmte zusehends, und seine Freunde wandten sich den alltäglichen Dingen des Lebens zu: Wo sich etwas zu essen stehlen ließ und auf welche Weise ein allzu sorgloser Mann um seinen Reichtum erleichtert werden konnte. Selbst Cesare führte Serena, statt auf der Lauer nach dem Mörder zu liegen, vor die Krippe der Augustinermönche und schwärmte ihr von der Heiligen Nacht vor.
    »Du redest fast wie ein Mönch.« Serena lachte und deutete auf den hölzernen Kaspar, dessen Nase so massig und spitz geschnitzt worden war, daß die Figur mehr einem Narren denn einem König glich.
    »Liebend gern wäre ich ein Mönch«, erwiderte Cesare und

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