Der Engel mit den Eisaugen

Anti-Amanda-Websites. Einer von ihnen war ebenjener BRMull, der später Steve Moores Tochter bedrohte. BRMull zeichnete für über vierhundert Bearbeitungen des Artikels verantwortlich und hatte auf
PMF
geäußert, dass Amanda Knox »eine wirklich böse Hexe« sei.
    Ein Tauziehen begann, Informationen wurden ergänzt und ebenso rasch wieder gelöscht. Die Anti-Amanda-Fraktion setzte sich durch, sperrte mindestens acht Autoren den Zugang. Und sie verhinderte die Erstellung eines separaten Eintrags »Amanda Knox« bei Wikipedia mit Rückverweisen zum Artikel »The Murder of Meredith Kercher«.
    Einer der gesperrten Wikipedia-Autoren, Phaneul B., postete einen offenen Brief an Jimmy Wales, den Gründer von Wikipedia, der gleichzeitig eine Petition darstellte. Darin hieß es unter anderem: »Der Artikel ›The Murder of Meredith Kercher‹ in seiner gegenwärtigen Form ist nicht aus neutraler Perspektive geschrieben und hat wenig Ähnlichkeit mit dem, was vertrauenswürdige Quellen zu dem Fall äußern.« Zehn Stunden nachdem dieser offene Brief im Netz stand, outeten anonyme Blogger Phaneul B. als einen in Connecticut lebenden Ingenieur namens Joseph Bishop.
    Wenig später meldete sich Jimmy Wales auf der »Talk«-Seite des Artikels zu Wort – dort können die Autoren frisch von der Leber weg miteinander diskutieren. Wales hatte sich genau angesehen, wie der Artikel zustande gekommen war, und sprach sich entschieden gegen die voreingenommenen Bearbeitungen aus. Vor allem beanstandete er den systematischen Ausschluss glaubwürdiger Quellen. »Trifft es zu, dass Personen wegen völlig neutraler Bearbeitungen gesperrt worden sind? Ja. Trifft es zu, dass glaubwürdige Quellen systematisch ausgeschlossen wurden? Ja. Keines von beidem ist hinnehmbar.« Einigen Autoren warf er sogar vor, sich zum Zensor aufgeschwungen zu haben, nach den Wikipedia-Regeln das schlimmste Vergehen.
    Darauf folgte eine scharfe Diskussion im Netz, bei der einige Autoren Wales zur Zielscheibe ihres Zorns machten.
    »Jimbo … Recherchier doch selber. Du wirst schnell feststellen, dass nichts an dieser Petition neu ist oder hier nicht schon angesprochen wurde …« MLauba (Talk) 17 : 15 , 22 . März 2011
(UTC)
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    »Ich recherchiere selbst, und es sieht nicht gut aus. Ich sehe, dass Autoren mit fadenscheinigsten Begründungen wegen einzelner Bearbeitungen gesperrt werden. Das ist nicht akzeptabel.« Jimbo Wales (Talk) 23 : 25 , 22 . März 2011
(UTC)
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    Wales schrieb, sichtlich verärgert: »Es macht mich betroffen, dass selbst ich als eine Art ›Verschwörungstheoretiker‹ hingestellt werde, seit ich diesen Sachverhalt angesprochen habe … Wenn schlichte Fragen zu derartiger Empörung führen, sollten wir uns immer fragen, wo denn die Wahrheit liegt.«
    Die Auseinandersetzung um den Wikipedia-Artikel zog sich über Monate hin. Wales versteht seine freie Enzyklopädie als demokratisches Projekt, und nichts lag ihm ferner, als sich in die Abläufe bei Wikipedia einzumischen, den großen Macker herauszukehren, Autoren zu sperren oder Sperrungen aufzuheben. Er äußerte lediglich seine Meinung. Da die verschiedenen Autoren mit Zähnen und Klauen um jeden Satz kämpften, blähte sich die »Talk«-Seite des Artikels immer mehr auf. Bis schließlich, etwa zu der Zeit, als Knox freigesprochen wurde und sich die Beweise gegen sie als manipuliert erwiesen, der bewusste Artikel komplett in den Papierkorb wanderte. SlimVirgin, einer von Wikipedias Top-Leuten, schrieb ihn vollkommen neu, neutral und auf Fakten basierend.
    »Diese Leute waren knallhart«, sagte Joseph Bishop zu mir. »Es waren keineswegs beschränkte Typen. Sie haben schon früher als wir bei Wikipedia mitgearbeitet, und deshalb konnten sie sich anfangs auch gegen uns durchsetzen.« Nachdem man ihn geoutet hatte, wurde er auf ebenso bösartige Weise wie Steve Moore attackiert. Bishop wies mich noch auf eine ironische Pointe hin: Sein Benutzername bei Wikipedia, Phaneul B., geht auf einen seiner Vorfahren zurück, der im Jahr 1692 bei den Hexenprozessen von Salem unter Anklage stand.
    Die Blogger auf der
PMF
-Website sahen hinter Wales’ vermittelndem Einschreiten ein anderes Motiv als den Wunsch, die Neutralität von Wikipedia zu sichern. Sie gruben einen sexuellen Fehltritt in seiner Vergangenheit aus und untermauerten damit ihre Behauptung, er habe sexuelles Interesse an Amanda Knox. »Jimbo wird bald sein ganzes Ansehen als Unternehmer in den neuen Medien verlieren … nur um einen