Der Engel mit den Eisaugen
angestiftet …«
An der Pepperdine University machte der Aufruhr im Internet sofort die Runde. Als Moore am 3 . September wieder zur Arbeit erschien, tobte dort ein »Feuersturm«. Man hatte die Einträge auf
PMF, TJMK
und anderen Websites aufmerksam verfolgt, man war beunruhigt. Zehn Tage später erhielt Moore einen Brief von der Verwaltung, in dem er aufgefordert wurde, nicht mehr als Amandas Fürsprecher in Erscheinung zu treten. Als Begründung wurde unter anderem angeführt, man sei besorgt, dass »der Ruf der Universität Schaden nehmen könnte, da einige Menschen Ihre Untersuchung, Ihre Kompetenz als Experte in dieser Angelegenheit und Ihre Beweggründe in Zweifel zu ziehen beginnen«. Das »einige Menschen« konnte sich nur auf die Blogosphäre beziehen, denn nur anonyme Blogger hatten diese Fragen aufgeworfen. (Von den normalen Medien war Moore herzlich willkommen geheißen und als der Experte behandelt worden, der er in der Tat war.)
»Ich war fassungslos«, erzählte Moore. »Sprachlos. Geschockt. Nicht nur wegen der gemeinen, bösartigen und verleumderischen Unterstellungen auf
PMF
/
TJMK
…, sondern weil gebildete Leute diesen Mist glaubten. Das ist das Gefährliche an diesen Internet-Trollen: Wenn sie das richtige Vokabular benützen, dann glauben es in solchen Sachen ahnungslose Leute auch.«
Moore war der Fall inzwischen zu wichtig, als dass er sein Engagement für Amanda Knox aufgegeben hätte. Die Pepperdine University feuerte ihn. Und die Blogger drehten schier durch vor Begeisterung.
»Dieses Selbstmordkommando musste natürlich in die Hosen gehen … Er ist doch nur einer von vielen Helfershelfern der Knox, eine stinknormale Marionette wie die anderen, und er wird nicht der Letzte von allen sein, die sich wegen dieser Mörderin ruinieren.«
(WSH)
»Moore ist doch ein Vollidiot … Schnapp ihn dir, Mignini.«
(PMF)
»Ich freue mich, dass wieder ein Mördersympathisant bekommt, was er verdient. Er wird nicht der letzte sein. Dafür wird schon gesorgt.« (Website des
West Seattle Herald
)
Moore verklagte die Pepperdine University wegen unrechtmäßiger Kündigung. Die Universität einigte sich mit Moore auf eine »beiderseits zufriedenstellende«, nicht näher bezifferte Abfindung. »Ich kann nur sagen, dass ich mit dem Vergleich sehr zufrieden bin«, erklärte Moore.
»Ich sehe jetzt für mich einen Sinn im Leben, den es vorher nicht gab«, sagte er. »Es ist ungerecht, was da läuft. Und wer könnte besser mithelfen, ein Unrecht wiedergutzumachen, als jemand, der weiß, wie das Justizsystem funktioniert?«
Die Blogosphäre vergaß ihn nicht. Vier Jahre lang wurde Moore im Internet an den Pranger gestellt. Selbst heute noch muss er sich gegen bösartige anonyme Attacken zur Wehr setzen. Noch im November 2012 ging ein Blogger mit dem Pseudonym BRMull auf die Website von Moores Tochter, kopierte einige ihrer Songs auf die Website
Perugia Murder File
und machte sie nieder. Am Ende hängte er noch eine Drohbotschaft an: »Ja, Steve Moore, ich rede von deiner Tochter, BRMull meint es ernst.«
Dazu Moore, fassungslos: »Und ich habe ihnen überhaupt nichts getan!«
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Kapitel 5
Z ur selben Zeit begann bei Wikipedia eine Auseinandersetzung anderer Art. Im April 2010 ersetzte eine Gruppe Wikipedia-Autoren, unter ihnen auch einige Administratoren, einen ziemlich dünnen Artikel mit der Überschrift »The Murder of Meredith Kercher« durch einen neuen. Dieser neue Artikel, formuliert in der üblichen objektiven Sprache der Website, ergriff nach Ansicht anderer Wikipedia-Autoren eindeutig Partei gegen Amanda. Sie meinten, der neue Artikel spiele herunter, dass Amandas strafrechtliche Verurteilung umstritten sei. Außerdem werde mit keinem Wort erwähnt, dass eine Vielzahl amerikanischer Experten Zweifel am fairen Prozessverlauf geäußert hätten. Als jedoch Autoren aus der Pro-Amanda-Fraktion den Artikel mit Informationen ergänzen wollten, löschten Autoren der Anti-Amanda-Fraktion diese Beiträge sofort wieder mit der Begründung, das Material basiere auf unglaubwürdigen Quellen. Zu den Quellen, die sie für unglaubwürdig befanden, zählten CBS News, die US -Senatorin Maria Cantwell, der Kriminologe Paul Ciolino, die Reporterin Judy Bachrach von
Vanity Fair,
Steve Moore, der Kolumnist und Pulitzer-Preisträger Timothy Egan von der
New York Times
sowie Mario Spezi und ich selbst. Mindestens zwei Wikipedia-Autoren posteten unter ihren Wikipedia-Benutzernamen gehässige Tiraden auf
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