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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Ausweis auf den Tisch. Er nahm ihn achtlos in die Hand, dann zuckte er aber ein wenig zusammen, nicht viel, aber doch so, daß ich es sehen konnte.
    „Was soll denn das heißen?“ fragte er. Seine Stimme klang jetzt eine Nuance weniger hart. „Sind Sie das?“
    „Ja, das bin ich. Wie Sie sehen, heiße ich nicht Manning, sondern Marlon. Ich bin auch nicht ein Freund von Lynn Collins, sondern Collins ist mein Klient, — gewesen. Er gab mir den Auftrag, festzustellen, wer die Absicht hatte, ihn umzubringen. Leider brachte ich das nicht rasch genug heraus. Sind Sie jetzt bereit, mir ein paar Fragen zu beantworten?“
    „Nein“, sagte er kurz und scharf, „nein, absolut nicht. Sie sind Privatdetektiv, und ich bin nicht verpflichtet, Ihnen Auskünfte zu geben. Der Polizei habe ich selbstverständlich alles gesagt, was ich weiß.“
    „Alles, Doktor Dardington?“
    „Ja“, sagte er ärgerlich, „selbstverständlich alles.“
    Er griff wieder zu dem Buch und schlug es auf. Ich sah, daß es das Labor=Buch war, das ich in Collins Zimmer entdeckt hatte, und das dann verschwunden war.
    „Ich glaube“, fing ich wieder an zu bohren, „daß Sie der Polizei nicht alles gesagt haben.“
    Seine Finger trommelten nervös auf der hellen Linoleumplatte, und ich konnte ihm nachfühlen, wie gern er mich hinausgeworfen hätte.
    „Das ist eine — hm — unverschämte Behauptung, Mr. Mann — äh, — Marlon! Ich werde...“
    „Sie werden mir jetzt einmal genau erklären, wo Ihre Pistole hingekommen ist, und warum Sie der Polizei verschwiegen haben, daß sie fehlt.“
    Er schaute mich eine Weile verblüfft, fast ratlos an. Dann beugte er sich nach rechts hinunter und zog ein Schubfach auf. Als er wieder hochkam, war er ziemlich blaß.
    „Na“, sagte ich gemütlich und zündete mir während des Sprechens eine Zigarette an, „na, mein lieber Doktor, haben Sie jetzt mehr Lust, mir ein paar Fragen zu beantworten?“
    Sein Gesicht hatte den überheblichen, abweisenden Ausdruck fast ganz verloren. Er sah aus wie ein Mann, der beim Tauchen kurz vor dem Abschrammen gerade noch rechtzeitig an die Oberfläche gekommen ist. Er sah nicht aus wie ein Mann, der zwei kaltblütige Morde begangen hatte.
    „Ich — ich weiß nicht, — sie war immer hier drin, — jemand muß sie herausgenommen haben. — Ich kann mir das nicht erklären.“
    „Sie sind doch der Leiter dieses ganzen Kaninchenstalles?“
    „J—ja“, kam es sehr zögernd, „das heißt, eigentlich nein. Eigentlich war es Lynn Collins. Er war, solange mein Vater noch lebte, seine rechte Hand. Er war schon viel früher hier als ich, und — und mein Vater hatte in seinem Testament bestimmt, daß Collins der verantwortliche Leiter bleiben sollte.“
    „Das verstehe ich nicht ganz, Doktor Dardington. Schließlich sind Sie doch sein Sohn, Sie sind ebenfalls Arzt, und da müßte Ihr Vater doch Gründe gehabt haben, warum er Ihnen Collins vor die Nase setzte.“
    Sein Gesicht wurde wieder starr und kalt.
    „Mein Vater glaubte, solche Gründe zu haben.“
    „Hm“, machte ich, „das ist sehr dumm für Sie, Doktor.“
    „Wieso?“ fuhr er auf. „Was hat das denn damit zu tun?“
    „Vielleicht gar nichts. Aber die Polizei macht es sich immer so leicht wie möglich. Sie wird sagen, der junge Dardington ist ein ehrgeiziger Kerl. Es paßt ihm nicht, daß dieser Collins alles allein in Händen hat. Er sah keinen andern Weg, als Collins zu beseitigen. — Halt! Das sage nicht ich, Doktor Dardington, sondern das wird die Polizei sagen. Wo waren Sie übrigens am Freitagabend?“
    „Hier, ich habe gearbeitet. Aber was soll denn das? Sie wollen jetzt doch nicht ernstlich behaupten, ich hätte mit Collins’ Tod was zu tun, nur weil er mit meiner Pistole erschossen wurde?“
    „Für einen einfachen Geist — und die Polizei beschäftigt aus Gründen der Ersparnis meistens nur einfache Geister — für die wird das sehr naheliegen. Haben Sie einen Zeugen, daß Sie hier waren?“
    „Ich — ich glaube nicht. Ich bin abends immer allein hier.“
    „Sehen Sie! Und nun können Sie sich’s an den Fingern abzählen, was passiert. Festnahme wegen Mordverdachts. Kein Alibi, aber ein Motiv. Ein sehr beachtliches, handfestes Motiv.“
    In meinem Kopf erschien die Tabelle, und Gruppe I, 1., „persönliche Vorteile“ leuchtete rot auf.
    Er holte ein Taschentuch aus der Tasche, vergaß, was er damit tun wollte, und putzte gedankenlos an seiner Brille herum. Dann fiel es ihm wieder ein und

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