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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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konnte.
    »Wir können uns ja mal beraten lassen.«
    »Von dem Doktor, meinst du?«
    Die Bewegung, die er neben sich spürte, war wohl ein Kopfnicken.
    »Wenn dich das beruhigt«, sagte er und wandte ihr den Rücken zu.
    »Ich glaube schon«, sagte sie.
     
    Die Eltern von Gunther Weber hatten ihn aufgesucht, um zu fragen, wie groß das Risiko wäre, dass das Kind behindert zur Welt käme, wenn Vera versuchen würde, auf natürliche Weise schwanger zu werden.
    »Auf die normale Art und Weise also«, hatte ihr Mann hinzugefügt.
    Er hatte geantwortet, dann sei das Risiko freilich sehr groß, aber inzwischen gebe es andere Wege, die ein solches Risiko ausschlössen. Eine Frage der Technik, hatte er ihnen erneut versichert.
    »Aber wenn das Risiko so groß ist«, hatte sie daraufhin eingewandt, »dann bedeutet das doch, dass Gott es nicht will. Und dann müssen wir uns doch in seinen Willen ergeben.«
    Darüber hatte er kurz nachdenken müssen, aber dann hatte er gesagt: »Und was ist mit Sara?«
    »Sara?«
    »Abrahams Frau. In der Bibel, im Buch Genesis.«
    Und er hatte die betreffenden Verse zitiert: » Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen über ein Jahr; siehe, so soll Sara, dein Weib, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür der Hütte. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und wohlbetaget, also dass es Sara nicht mehr ging nach der Weiber Weise. «
    Es hatte ihn keinerlei Mühe gekostet, sich an den Wortlaut zu erinnern, und aus dem Augenwinkel heraus hatte er gesehen, dass die Frau ihm atemlos zuhörte. Das hatte er als Ermutigung aufgefasst, fortzufahren.
    » Und der Herr suchte heim Sara, wie er geredet hatte, und tat mit ihr, wie er geredet hatte. Und Sara ward schwanger, und gebar Abraham einen Sohn in seinem Alter um die Zeit, davon ihm Gott geredet hatte. Und Abraham hieß seinen Sohn, der ihm geboren war, Isaak, den ihm Sara gebar. «
    Darauf hatte der Doktor eine Pause entstehen lassen. Der Schweiß war ihm ausgebrochen. Die Frau und der Mann hatten ihn beide mit großen Augen erwartungsvoll angesehen, und schließlich hatte er gesagt: »Wenn Sie es wollen, so werden Sie heute in einem Jahr einen Sohn haben.«
    Das war am 20. Januar 1989.
    Die Zeitspanne war knapp bemessen, weil die meisten Körperzellen, die Victor geerntet hatte – wie er selbst es nannte –, abgestorben waren. Die wenigen Zellen, die noch am Leben waren, musste er erst so weit heranzüchten, bis sie sich durch Teilung vervielfältigten, und das führte dann wieder zu einer Verkürzung der Telomere. Ein irreversibler Prozess, aber zumindest blieb mehr davon übrig als bei seinem vier Jahre zurückliegenden Klonversuch mit seinen eigenen Zellen. Die neu entstandenen Zellen ließ er dann jeweils aushungern, bis sie auf das G0-Stadium regrediert waren, schwebend zwischen Leben und Tod. Es war im Grunde so, als würde man einen Ertrinkenden immer wieder zurück ins Wasser werfen, nachdem man ihn gerade erst reanimiert hatte.
    Außerdem musste er den genetischen Code entziffern, der jeweils in dem Zellkern enthalten war. Das erwies sich als unerwartet schwierig, weil in vielen Zellen die DNA beschädigt war, sodass er gleichsam nur Papierschnipsel mit Textfetzen in die Hände bekam.
    Gut zwei Monate nach Gunthers Tod, als er den Eltern sein Versprechen gemacht hatte, war er noch weit davon entfernt, den Code entziffert zu haben. Und als es ihm schließlich gelungen war, hatte er noch immer den größten Teil der Strecke vor sich. Als Nächstes musste er nun den Fehler im Code suchen, der die Taubheit des Kindes verursacht hatte, und diesen dann zu eliminieren versuchen. Erst dann wäre er so weit, dass er die Embryos heranzüchten und sie Vera Weber einpflanzen könnte. Vorausgesetzt, dass sie bis dahin genügend reife Eizellen hervorgebracht hätte, was er auch erst einmal abwarten musste.
    Für den gesamten Prozess mit all seinen Schritten gab er sich selbst vier Monate. Das war knapp bemessen, wie er durchaus wusste. Sehr knapp. Aber darin bestand ein Teil der Herausforderung. Alles in allem schien es ihm zumindest machbar. Mehr denn je hatte er das Gefühl, alles in der Hand zu haben.

5
    Am Samstag, den 1. April 1989, klingelte bei Rex Cremer das Telefon.
    »Spreche ich mit Doktor Cremer? Von der Universität Aachen?«
    »Das ist aber schon ein paar Jahre her, dass ich dort beschäftigt war.«
    »Wissen Sie, wo ich Doktor Hoppe finden kann? An der Universität hat man mir erzählt, dass Sie …«
    »Der

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