Der Engelmacher
Name sagt mir nichts.«
»Aber Sie waren doch bei mir, in Bonn. Das waren doch Sie?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Bei Doktor Hoppe zu Hause. Sie sind gekommen, um einen Blick auf mich zu werfen, als ich schwanger war.«
»Ich glaube, Sie verwechseln mich.«
»Ich bin auf der Suche nach den Kindern. Ich will sie sehen. Ich will wissen, wie es ihnen geht. Sie müssen mir helfen!«
»Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Vielleicht in Bonn.«
»Da wohnt er schon lange nicht mehr. Ich bin dort gewesen. Erst letzten Monat.«
»Es tut mir Leid, ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Wenn Sie ihn irgendwo treffen oder von ihm hören, sagen Sie ihm dann bitte auf jeden Fall, dass ich auf der Suche nach ihm bin. Sagen Sie ihm, ich will die Kinder sehen. Das ist mein gutes Recht.«
»Das ist Ihr gutes Recht?«
»Ich bin ihre Mutter! Da hab ich doch wohl das Recht, sie zu sehen!«
»Sie sind ihre Mutter?«
»Allerdings, ja.«
»Immer mit der Ruhe. Jetzt überfallen Sie mich. Die Kinder, sagen Sie. Was wissen Sie von den Kindern?«
»Nichts. Lediglich, dass es Jungen waren. Drei Jungen! Aber ich habe sie nie zu Gesicht bekommen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Auf dem Ultraschall, ja, aber sonst nicht. Ich war im Tiefschlaf, als er sie herausgeholt hat.«
»Und danach? Was hat er …«
»Er hatte mir eine Tochter versprochen! Ein einziges Kind, und zwar eine Tochter! Und dann sagte er plötzlich, es wären drei Jungen. Drei Jungen! Beziehungsweise eigentlich sogar vier … weil eins ist nämlich … eins ist …«
»Wann hat er Ihnen das gesagt?«
»Am Tag vorher. Einen Tag vor der Geburt. Er hat es mir gezeigt, auf dem Ultraschall! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich war … ich war schockiert! Ich wollte sie nicht haben! Ich wollte sie nicht! Erst wollte ich sie nicht. Verstehen Sie, was ich meine? Verstehen Sie das?«
»Ja, ja, ich verstehe, ich verstehe das vollkommen.«
»Aber jetzt will ich sie doch sehen. Ich will wissen, wie es ihnen geht. Ich will ihnen sagen, dass es mir Leid tut. Ihnen erklären, warum ich nicht für sie da war, warum ihre Mutter nicht für sie da war. Das werden sie sich inzwischen doch wohl auch fragen, nicht wahr? Oder vielleicht denken die Kleinen, ich wäre gar nicht mehr am Leben. Mein Gott, stellen Sie sich das nur vor …«
»Bitte, ich weiß es nicht, ich habe kaum etwas mit Doktor Hoppe zu tun gehabt.«
»Aber Sie hatten noch Kontakt zu ihm? Haben Sie noch irgendwas von ihm gehört?«
»…«
»Hallo?«
»Ich habe gehört, er soll jetzt in Belgien leben.«
»In Belgien?«
»Irgendwo gleich hinter der Grenze. In einem Dorf. Wolfheim oder so ähnlich.«
»Wolfheim, sagen Sie?«
»Ich glaube. Falls ich mich nicht täusche. So was in der Art.«
Als hätte er einen Ball weitergespielt. Ein Kinderspiel. Fünf Monate lang hatte Rex Cremer sich mit Schuldgefühlen geplagt, und plötzlich war er sie los. In den ersten Tagen nach seinem Besuch in Wolfheim war dieses Gefühl immer latent vorhanden gewesen. Er hatte probiert, die Dinge in seinem Kopf zu ordnen, zunächst mit der Nüchternheit des Wissenschaftlers, so wie Victor Hoppe selbst, und erst in zweiter Linie mit dem moralischen Urteilsvermögen eines Außenstehenden. Dabei hatte er nur noch mehr Schuldgefühle bekommen.
Nüchtern betrachtet, war es Victor also gelungen, sich selbst zu klonen, und wenn dabei auch Kleinigkeiten schiefgegangen waren, so war das doch eine außerordentliche Leistung. Er hatte bewiesen, dass es möglich war, Menschen zu klonen, und die dabei entstandene Mutation der Telomere war lediglich ein Nebeneffekt, zwar einer mit schwerwiegenden Folgen, aber alles in allem doch nebensächlich.
Soweit er Victors Worten hatte entnehmen können, war dieses Experiment aber erst der Anfang. Damit hatte Victor demonstriert, dass er überhaupt dazu in der Lage war. Im nächsten Schritt wollte er nun die genetischen Anomalien ausmerzen beziehungsweise, wie er es selbst formuliert hatte, die angeborenen Fehler ausbessern, als ließen die sich einfach so ausradieren. Im Grunde ein nobler Antrieb, hätte da nicht eindeutig noch ein anderes Motiv eine Rolle gespielt. Victor handelte nicht aus noblen oder auch nur wissenschaftlichen Gründen, er führte einen Kampf.
Vater. Dieses Wort hatte einer der Jungen benutzt. Das war Vater. Nicht Papa oder Paps, sondern Vater – wie »Gottvater«. Natürlich. Wie auch sonst? Victor war nicht ihr natürlicher Vater, sondern ihr Schöpfer. Darum ließ
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