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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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hineinziehen lasse.
    Abrupt stand er auf und sagte: »Ich kann nicht länger bleiben, ich muss pünktlich wieder zurück sein.«
    Er hörte selbst, dass es aufgesetzt klang, ganz deutlich wie eine Ausflucht.
    Aber Victor legte ihm keine Steine in den Weg, im Gegenteil, er brach seinen Monolog unverzüglich ab, mitten im Satz, und stand auf. um ihm die Tür aufzuhalten. Ehe er sich’s versah, stand Rex wieder auf der Straße. Allerdings fuhr er nicht sofort weg, nachdem das Tor hinter ihm ins Schloss gefallen war und er sich wieder ins Auto gesetzt hatte. Irgendetwas hielt ihn zurück. Weniger etwas, was Victor gesagt hatte, als vielmehr etwas, was die Kinder von sich gegeben hatten und was ihn noch mehr beunruhigt hatte als alles andere.
     
    »Wissen Sie, wo Frau Maenwout ist?«
    Einer der kleinen Jungen hatte das gesagt. Rex hatte gerade aus dem Raum gehen wollen, nachdem Victor vorgeschlagen hatte, sich im Sprechzimmer weiter zu unterhalten. Die drei Kinder, die gerade noch alle erniedrigenden Handlungen des Doktors duldsam ertragen hatten, waren alleine zurückgeblieben. Alleine zurückgelassen worden. Ohne sich noch nach ihnen umzusehen, ohne noch irgendetwas zu ihnen zu sagen, hatte Victor ihnen den Rücken zugekehrt. Cremer hatte noch kurz gezögert, sich noch ein letztes Mal umgesehen, wie um sich selbst davon zu überzeugen, dass all dies Wirklichkeit war. Und in diesem Augenblick hatte einer der Jungen etwas gesagt, aber er hatte ihn vor Überraschung nur halb verstanden.
    »Wissen Sie, wo Frau Maenwout ist?«
    Der Junge hatte sich genauso nasal angehört wie Victor, aber besser artikuliert.
    »Was hast du gesagt?«
    »Wissen Sie, wo Frau Maenwout ist?«, hatte der Kleine wiederholt, während er vor sich hin gestarrt hatte, als spräche er mit jemand anderem.
    Ob er wisse, wo Frau Maenwout war. Er wusste nicht einmal, wer Frau Maenwout war.
    »Nein, das weiß ich nicht«, hatte er geantwortet.
    »Sie ist bei Gott im Himmel«, hatte er daraufhin vernommen, aber diesmal hatte einer der anderen beiden sich zu Wort gemeldet.
    Rex hatte nicht verstanden, was sie meinten. Erst nachdem auch der dritte Junge etwas gesagt hatte, wurde es ihm deutlich.
    »Sie ist tot. Das war Vater.«
    Dies alles hatte sich innerhalb weniger Sekunden abgespielt, obwohl es Rex sehr viel länger vorgekommen war und er sich noch gewundert hatte, dass Victor nicht schneller wiederkam, um die Kinder zum Schweigen zu bringen. Aber der Doktor hatte nicht überrascht, geschweige denn verärgert reagiert. Er hatte die Kinder vielmehr ignoriert und Rex erneut gebeten, ihm ins Sprechzimmer zu folgen.
    Victor hatte ununterbrochen geredet, während die Sätze der Kinder in Cremers Kopf weiter nachhallten.
    Sie ist tot. Das war Vater.
    Erst als er schon wieder im Auto gesessen hatte, war ihm die Bedeutung dieser Worte langsam zu Bewusstsein gekommen. Ihm war so beklommen zumute geworden, dass er wieder ausgestiegen war. Auf die geöffnete Autotür gestützt, hatte er nach Luft geschnappt. Eine Frau war auf ihn zugekommen und hatte gefragt, was los sei, und dann hatte sie von den Kindern angefangen. Es steht nicht gut um sie, stimmt’s?, hatte sie gefragt. Er hatte es nicht leugnen können, vielleicht hatte er es nicht einmal leugnen wollen. Dann hatte er sie gefragt, ob sie wisse, wer Frau Maenwout sei und was mit ihr passiert sei. Frau Maenhout, meinen Sie sicher, hatte sie gesagt, das sei die Haushälterin vom Herrn Doktor gewesen. Sie sei von der Treppe gefallen. Auf Anhieb tot.
    Ein Unfall. Das hatte ihn einigermaßen beruhigt. Trotzdem hatten die Worte der Jungen ihn nicht losgelassen, und auf dem Rückweg nach Köln hatte er versucht, alles noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren zu lassen, von Anfang bis Ende. Und je öfter er diese Bilder vor sich gesehen hatte, desto unwirklicher waren sie ihm erschienen. Als wäre er im Kino gewesen. Als hätte er nur Figuren auf einer Leinwand gesehen. Und am Ende hatte er sich gefragt, ob er sich vielleicht alles nur eingebildet hatte.

4
    Lothar Weber hatte Doktor Hoppe angerufen, ohne seiner Frau davon zu erzählen. Sie fand es ja überflüssig.
    »Wozu? Ich bin doch nicht krank«, hatte sie geantwortet, als er vorgeschlagen hatte, mit dem Doktor zu sprechen.
    Dabei war sie sehr wohl krank. Krank vor Kummer. Lothar fiel es jeden Tag von Neuem auf. Er merkte es an Kleinigkeiten. An der Art und Weise, wie sie aufstand und herumlief, an der Trägheit, mit der sie aß, an den Haufen

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