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Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Titel: Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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zusammen, dann wurde ihr klar, dass er natürlich so etwas denken musste. Er war einen Großteil des Tages verhört worden, und dann hatte er mit ansehen müssen, wie sein Büro und sein Zuhause auf den Kopf gestellt wurden.
    „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es geht um mich … und um dich.“ Sie faltete die Hände. „Es tut mir leid, dass ich dich weggestoßen habe, dass ich dich aus meinem Leben ausschloss, als Sadie starb. Du brauchtest mich, aber ich …“
    Sie konnte sich nicht länger zurückhalten und begann auf eine Weise zu schluchzen, wie sie es sich zuvor nicht erlaubt hatte. Schließlich zog Joe sie an sich, wenn auch nur ungern. Sie klammerte sich an ihn, bis ihr Weinkrampf vorüber war, dann löste sie sich wieder von ihm.
    „Es tut mir so leid“, sagte sie leise.
    „Mach dir darüber keine Gedanken.“
    Mit dem Handrücken wischte sie die Tränen weg. „Nach Sadies Tod habe ich nicht geweint. Stattdessen habe ich mich in die Suche nach dem Engelmörder vergraben und getrunken.“ Sie holte schluchzend Luft. „Ich dachte, wenn ich nicht um Sadie trauere, muss ich sie auch nicht loslassen.“
    „Warum erzählst du mir das?“, wunderte er sich.
    „Ich hätte mich dir zuwenden können – und sollen. Das ist mir jetzt klar.“
    „Schnee von gestern.“
    „Nein, Joe, so ist es nicht. Ich liebe dich immer noch. Ich liebe dich noch.“
    Lange Zeit sah er sie nur an. Sie fragte sich, was er in diesem Augenblick fühlte. Seine Miene verriet nichts. War er wütend? Glücklich? Erleichtert? Oder fühlte er nach all den Jahren nichts mehr?
    Wieder kamen ihr die Tränen und liefen ihr über die Wangen. Eine davon wischte er mit dem Zeigefinger weg. „Es kommt alles in Ordnung, Kitt. Ich liebe dich auch.“
    Obwohl es nur ein paar Sekunden waren, kam es ihr wie eine Ewigkeit vor, bis seine Worte zu ihr vordrangen. Als es geschah, konnte sie nicht anders, als einen erstickten Aufschrei von sich zu geben. Dann warf sie sich in seine Arme und drückte sich an seine Brust.
    „Du zitterst ja, und du fühlst dich kalt an“, sagte er und rieb ihren Rücken. Schließlich nahm er seine Arme wieder weg.
    Sie sah, dass sein T-Shirt durchnässt war. „Oh, tut mir leid, ich …“
    „Komm mit.“ Er ging mit ihr zum Badezimmer, gab ihr ein flauschiges Handtuch und seinen Frotteebademantel. „Du kannst duschen, wenn du möchtest. Ich bin nebenan.“
    Ihre Stimme versagte, sodass sie nur nicken konnte. Die Umgebung und die Nähe zu ihm bereiteten ihr ein sonderbares, zugleich aber auch belebendes Gefühl. Nachdem er aus dem Badezimmer gegangen war, drehte sie den Hahn auf, zog sich aus und stellte sich unter den angenehm heißen Wasserstrahl der Dusche.
    Nur ein paar Augenblicke waren nötig, dann war ihr nicht mehr kalt. Sie wusch sich, wobei das Aroma von Joes Shampoo und Seife den Raum erfüllte. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie den weiten, weichen Bademantel anund ging zum Schlafzimmer.
    Joe saß wie erstarrt auf der Bettkante, den Kopf in die Hände gestützt.
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als sie zu ihm ging und sich vor ihm hinkniete, um seine Hände zu fassen.
    Als sich ihre Blicke trafen, sah sie, dass er geweint hatte.
    Eigentlich wollte sie ihn fragen, ob ihm die Tränen vor Freude oder vor Verzweiflung gekommen waren, ob sie die Vergangenheit oder die Zukunft betrafen. Stattdessen aber legte sie einfach die Hände an sein Gesicht und küsste ihn – erst sanft, dann inniger und mit wachsender Leidenschaft. Diese Leidenschaft weckte in ihnen beiden den Wunsch nach mehr, danach, sich zu lieben.
    Später lagen sie eng umschlungen auf dem Bett. Zum ersten Mal seit Sadies Tod fühlte Kitt einen inneren Frieden. Sie drückte ihr Gesicht gegen Joes Brust und atmete seinen vertrauten würzigen Geruch ein.
    Er strich ihr übers Haar. „Auch wenn es für mich nicht wichtig ist – aber was war der Auslöser für das alles?“
    Brian. Ihr psychotischer Anrufer. Die Ermittlung. „Ich glaube nicht, dass ich dir das erzählen sollte. Jedenfalls nicht jetzt.“
    „Warum nicht?“, fragte er irritiert und sah sie an.
    „Weil es das hier ruinieren würde.“ Sie musste sich räuspern. „Und ich möchte diesen Moment so lange genießen, wie es nur geht.“
    Noch während sie sprach, begann das Abscheuliche, Widerwärtige an diesem Augenblick des Glücks zu nagen.
    Kitt fragte sich, ob das Schöne, Wunderbare dieses Augenblicks jemals wiederkehren würde.

56. KAPITEL
    Dienstag, 21. März

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