Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
gehabt, und wir haben sie zu Grabe getragen. Aber trotzdem kennst du mich nicht.“
Seine Worte taten ihr weh, und das umso mehr, da sie sehr wohl glaubte, ihn zu kennen, weil sie ihn liebte. Und trotzdem hatte sie ihn verdächtigt, er sei irgendwie in diese Sache verstrickt. Sie würde ihn auch weiterhin verdächtigen, bis seine Unschuld bewiesen war.
Das brachte ihr Job mit sich – und es war das, was dieser Job aus ihr gemacht hatte.
Was sollte sie erwidern? Es gab nichts dagegen zu sagen, sie war in allen Punkten der Anklage schuldig.
„Ich liebe dich, Joe. Ich habe dich immer geliebt.“
Er gab einen wehklagenden Laut von sich. „Du hast deinem Job immer den Vorzug gegeben. Daran wird sich niemalsetwas ändern, nicht wahr? Wenn das hier vorbei ist und du den Beweis hast, dass ich unschuldig bin, dann wird es der nächste Fall sein, das nächste Opfer, das dir wichtiger ist als ich.“
„Das ist nicht wahr! Wenn das hier vorüber ist und kein Verdacht mehr gegen dich besteht, dann werden wir …“
„Es gibt kein ‚wir‘. Ich liebe dich auch, Kitt. Aber ich will von dir mehr, als du mir geben kannst. Ich habe schon seit Langem mehr gewollt.“
Sie hob abwehrend eine Hand. „Lass uns bitte nicht jetzt darüber reden.“
Die Worte kamen ihr so verbittert über die Lippen, wie sie sich tief in ihrem Inneren auch fühlte.
Sie musste sich räuspern und konzentrierte sich auf ihr Anliegen, das sie zu Joe geführt hatte. „Valerie ist untergetaucht. Sie ist nach der Pause nicht mehr im Krankenhaus erschienen, und sie hat Tami aus der Schule geholt. Ich bin um das Mädchen besorgt.“
„Natürlich bist du das“, gab er zornig zurück.
„Ich hatte gehofft, du wüsstest vielleicht, wo sie sich aufhalten könnte.“
„Frag bei ihrer Mutter nach, sie lebt in Rockton“, antwortete er mürrisch. „Und sie hat noch eine Schwester in Barrington.“
„Weißt du ihre Namen?“
„Die Mutter heißt Rita Martin, die Schwester Lori Smith.“
Detective White steckte den Kopf zur Tür herein. „Der Anwalt ist zurück, Kitt.“
Sie hob eine Hand, um ihm zu bedeuten, dass sie noch eine Minute benötigte.
„Joe, ich möchte, dass du weißt …“
„Vergiss es einfach!“, fiel er ihr ins Wort. „Geh und mach deine Arbeit. Fang deinen Mörder, denn ich bin es nicht.“
Ohne Joes Anwalt anzusehen, ging sie an ihm vorbei aus dem Verhörraum. Der Schmerz war so schlimm, dass sie kaum atmen konnte. Sie fragte sich, ob es noch schlimmer werden konnte und hoffte von ganzem Herzen, dass das nicht der Fall sein möge.
68. KAPITEL
Dienstag, 21. März 2006
19:10 Uhr
Kitt legte den Hörer auf. Das Telefonat mit dem Büro des Sheriffs von DeKalb County hatte wenig Neues ergeben. Die Spätschicht war bereits zum Dienst angetreten, und der Deputy, der ihren Anruf entgegennahm, klang so, als sei er höchstens zwölf.
Mein Gott, sie wurde wirklich bald alt!
Dieser Deputy versprach ihr, sich umzuhören, ob jemand von der Spätschicht bereits im Jahr 1989 dort gearbeitet hatte. Sollte es eine ruhige Nacht werden, wollte er selbst die Akte heraussuchen und sie Kitt zufaxen. Zumindest aber würde er dem Sheriff und dem Chief Deputy eine Nachricht hinterlassen.
Vermutlich würde sie schneller einen Blick in die Akte werfen können, wenn sie selbst nach DeKalb fuhr.
Frustriert darüber rief sie M.C. an, doch sie landete sofort auf der Mailbox, was bedeutete, dass das Telefon abgeschaltet war. „Ich bin’s. Ich werde mal schnell nach DeKalb fahren, um mich da vor Ort umzusehen. Wenn du mich brauchst, ruf mich unterwegs an.“
Auf dem Weg zum Aufzug blieb sie abrupt stehen, da ihr zwei Sätze durch den Kopf gingen, die M.C. gesagt hatte.
„Du rastest doch jetzt nicht aus, oder?“
„Ich versuche nur, locker zu sein. Du weißt schon.“
Aber natürlich wusste sie es! An dem Tag, an dem sie beide herumgealbert hatten, sagte M.C. zu ihr: „Wenn wir uns je wieder in Codesprache unterhalten müssen, sind Sie diejenige, die ‚ausrastet‘.“
„Und Sie sind die, die es ‚locker angehen‘ lässt“, hatte Kitt entgegnet.
Deshalb war von M.C. nichts zu hören, obwohl sie sonst ständig in Kontakt mit ihr gewesen war. Und deshalb hatte sie sich so bemüht freundlich angehört.
Sie war in Schwierigkeiten!
Wie hatte Kitt das nur entgehen können?
Der Clown, ging es ihr durch den Kopf. M.C. war mit den Morden an den alten Frauen beschäftigt gewesen. Sie hatte etwas über den Clown herausgefunden – war sie
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