Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
wenn er diese Sprache beherrscht?“
„Nicht zwangsläufig. Es stimmt zwar, dass die Gebärdensprache von den Menschen benutzt wird, die taubstumm sind. Genauso wird sie von Kindern erlernt, die selbst hören und sprechen können, deren Eltern aber taubstumm sind. Aber man kann die Sprache auch in Kursen erlernen.“
Kitt machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. Es wäre schön gewesen, den Kreis der Verdächtigen so eng wie möglich zu begrenzen, zu dem auch Valerie Martin gehören würde. „Wieso beherrschen Sie die Sprache?“
„Meine Frau ist taubstumm. Sie hat sie mir beigebracht“, erwiderte er, und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Ihr Mörder ist mit der Gebärdensprache nicht vertraut und sucht sich nur bestimmte Begriffe aus einem Wörterbuch heraus. So etwas gibt es im Internet, es gibt auch Sites mit bewegten Bildern. Ich kann Ihnen gerne mal die Webadresse zumailen, wenn Sie möchten.“
„Ja, das wäre sehr gut. Danke.“
Als Jimmy Ye den Raum verließ, kehrte Sergeant Haas zurück. Seiner Miene war anzusehen, dass der Anruf keine guten Nachrichten gebracht hatte. „Valerie Martin ist nach der Mittagspause nicht wieder zur Arbeit erschienen. Das Haus ist abgeschlossen, ihr Wagen ist nicht da. Ein Nachbar hat dem Streifenwagen den Weg zur Schule erklärt, aber sie hatte ihre Tochter unmittelbar nach der Pause abgeholt.“
Sals Miene verfinsterte sich. „Geben wir eine Suchmeldung für Mutter und Tochter heraus“, brummte er.
„Und was passiert mit Joe?“, wollte Kitt wissen.
„Den behalten wir hier, bis sein Anwalt ungemütlich wird.Dann müssen wir ihn entweder verhaften oder gehen lassen.“
„Er könnte vielleicht wissen, wohin Valerie unterwegs ist. Ich bin um Tami besorgt. Wenn Valerie wirklich die Täterin ist und nicht ahnt, dass wir ihr auf die Schliche gekommen sind, dann könnte das Mädchen in Gefahr sein.“
„Wollen Sie mit ihm sprechen?“, fragte Sal.
„Ich werde es versuchen, auch wenn er sich wohl kaum darauf freuen dürfte, mit mir zu reden.“ Ihr Handy klingelte, sie griff nach dem Gerät. „Lundgren.“
„Sorenstein hier. Gute Neuigkeiten. Wir haben eine 99-prozentige Übereinstimmung.“
67. KAPITEL
Dienstag, 21. März 2006
17:40 Uhr
Die Waffe, mit der man Brian erschossen hatte, war benutzt worden, um eine Frau in DeKalb zu töten, einer ländlichen Gemeinde eine Autostunde südöstlich von Rockford. DeKalb konnte sich in zweierlei Hinsicht rühmen, etwas Besonderes zu sein: Erstens stammte das Supermodel Cindy Crawford dorther, zweitens lag dort der Campus der Northern Illinois University. Viele Einheimische hätten wohl noch süßen Mais als dritten Punkt hinzugefügt. Jeden August gab es in DeKalb ein großes Straßenfest, zu dem jährlich rund zweihunderttausend Besucher kamen, die siebzig Tonnen süßen Mais verzehrten.
Kitt sah über Sorensteins Schulter auf den NIBIN-Monitor. „Es passt wunderbar“, sagte er. „Es ist eine nahezu perfekte Übereinstimmung.“
Es stimmte. Die Spuren an den Kugeln, die Brian den Tod gebracht hatten, waren so gut wie identisch mit denen an dem Projektil, mit dem 1989 ein Mord verübt worden war.
„Ich habe mir in der Zwischenzeit die Freiheit genommen, schon mal die Daten von dem alten Fall aufzurufen“, fügte er an.
„Und was hat es ergeben?“
„Ein Mann erschoss 1989 mit dieser Waffe seine Frau. Erst schlug er sie mit seinem Gürtel, dann jagte er ihr eine Kugel zwischen die Augen. Er wurde festgenommen, angeklagt und verurteilt. Aber es gibt zwei Besonderheiten. Erstens:Der Gürtel wurde am Tatort gefunden, von der Waffe fehlte jede Spur. Zweitens: Man ging davon aus, dass es die Dienstwaffe war. Eine Smith and Wesson vom Kaliber 45.“
„Dienstwaffe? Er war Polizist?“
„Richtig. Der Deputy des DeKalb County Sheriffs.“
Kitt rätselte, wie eine Waffe, die vor siebzehn Jahren für einen Mord benutzt worden war, jetzt und hier mit einem Mal wieder auftauchen konnte.
Und was hatte das alles mit dem Engelmörder und seinem Trittbrettfahrer zu tun? Gab es überhaupt irgendeinen Zusammenhang?
„Sonst noch was?“, fragte sie.
„Das wäre soweit alles. Hier ist ein Ausdruck. Ich dachte mir, ich überlasse dir den Rest der Detektivarbeit.“ Er grinste sie breit an. „Ich würde sagen, damit habe ich mir ein Bier verdient.“
„Das hast du, Sorenstein. Danke.“
Er wurde wieder ernst. „Brian war ein Freund, eigentlich sogar mehr als
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