Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
leise.
Da sie nichts erwiderte, kam er zu ihr, kniete sich neben ihr hin und legte seine Hände um ihr Gesicht. M.C. fühlte, wie sie zitterten. „Geht es dir gut?“
Sie schwieg weiter, denn sie traute sich selbst nicht über den Weg und fürchtete, dass sie ihn beschimpfen oder garanspucken würde. Da sie nicht wusste, was ihn beim letzten Mal so plötzlich hatte wütend werden lassen, wollte sie alles vermeiden, was ihn provozieren könnte.
Abgesehen davon war sie auch davon überzeugt, dass sie genug Schläge auf den Kopf eingesteckt hatte. Der letzte war besonders kraftvoll gewesen.
„Sieht aus, als hättest du Schmerzen.“ Er strich über ihre Schläfe, wo sich zweifellos eine große Beule befinden musste. „Es tut mir so leid. Ich wollte nicht, dass so etwas geschieht.“
„Dann mach es ungeschehen, Lance.“
Er küsste sie, sodass sie seine Tränen schmecken konnte. Am liebsten hätte sie gewürgt, stattdessen aber spielte sie mit. „Mach meine Hände los. Sie schmerzen. Meine Arme tun mir weh.“
„Das kann ich nicht. Es tut mir leid, M.C.“
„Ich werde keinen Fluchtversuch unternehmen, das verspreche ich dir.“
Lance machte ein unendlich trauriges Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte dir glauben.“
„Ich liebe dich, Lance. Warum sollte ich weglaufen?“
Ihr blieben die Worte fast im Hals stecken. Sie hatte wirklich geglaubt, sie würde ihn lieben. Wie war es ihm bloß gelungen, sie so zum Narren zu halten?
„Ich wünschte, ich könnte dir glauben … so vieles, M.C., ich wünschte, ich könnte so vieles machen.“
Wieder küsste er sie. Er schmeckte frisch, so als habe er gerade ein Pfefferminzbonbon gelutscht.
„Dann wäre er so wütend“, sagte er. „Wütender, als er jetzt schon ist.“
„Wer, Lance? Wer wäre wütend?“
„Die Bestie“, flüsterte er angsterfüllt. Er schien zu fürchten, dass man ihn hören konnte.
Ihr Herz schlug vor Aufregung schneller. Sein Partner. Derjenige, der sie das erste Mal niedergeschlagen hatte. Und vermutlich auch derjenige, der das Sagen hatte.
„Das letzte Mal tut mir leid“, fuhr er fort. „Ich wollte dir nicht wehtun.“
„Warum hast du es dann getan?“
„Er hatte es erwartet.“
„Die Bestie?“
„Ja. Aber ich will nicht über ihn reden.“
„Worüber willst du dann reden?“, fragte M.C.
„Über meine Familie. Ich versprach dir, von meiner Familie zu erzählen. Ich möchte, dass du verstehst.“
„Und ich will verstehen, Lance. Erzähl es mir.“
„Nicht jetzt, später.“
Er richtete sich auf, und sie sah, wie er am ganzen Leib zitterte.
„Wovor hast du Angst?“, fragte sie. „Du weißt, ich würde dir helfen und dich beschützen.“
Bedächtig schüttelte er den Kopf. „Er beschützt mich. Das hat er schon immer gemacht. Wir sind eins.“
„Du liebst ihn mehr als mich?“
„Das verstehst du nicht.“
„Dann erklär es mir. Bitte, Lance.“
„Ohne ihn kann ich nicht überleben. Ich habe es versucht.“ Seine Stimme klang mit einem Mal belegt. „Es tut mir leid, Mary Catherine.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Du hast diese Mädchen umgebracht, nicht wahr?“, rief sie ihm nach.
Voller Bedauern betrachtete er sie. „Ich wollte es nicht.“
„Warum hast du es dann getan?“
„Er wollte es so.“
„Und du machst alles, was er sagt?“
„Ich komme wieder.“
„Nein, warte!“ Sie zerrte an dem Isolierband, das nicht nachgeben wollte. „Wirst du mich auch töten, Lance, wenn er es so will?“
Ohne eine Antwort verließ er sie. Sie kämpfte gegen die Panik an, die sich in ihr regte. „Das musst du nicht“, rief sie. „Du hast dein Schicksal selbst in der Hand. Niemand kann über dich bestimmen.“
Sie hörte seine Schritte, das Knarren der Holzstufen. „Lance, bit…“
Das Licht ging aus, die Tür fiel zu – und sie saß wieder allein in der Dunkelheit.
71. KAPITEL
Dienstag, 21. März 2006
22:50 Uhr
Von der Minute an, als Kitt das RPD von ihrer Entdeckung in Kenntnis setzte, überschlugen sich die Ereignisse. Ein Team machte sich auf den Weg, um Lance Castrogiovannis Apartment auf den Kopf zu stellen – ein Team, das aus der Spurensicherung, Sal und Sergeant Haas bestand, und aus gut dem halben Morddezernat. Alle warteten auf Neuigkeiten von M.C. und auf irgendwelche Befehle, die sich diesen Neuigkeiten anschließen würden. Ihnen allen war es egal, ob der Einsatz die ganze Nacht dauerte. Sie wollten Riggio helfen und dieses Monster fassen.
Dies war der Durchbruch bei
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