Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
in die Anwesenheitsliste ein. „Was haben wir?“, fragte sie.
„Eine Zehnjährige. Marianne Vest. Anscheinend wurde sie erstickt.“
„Eltern?“
„Geschieden. Die Mutter fand sie und bekam einen hysterischen Anfall. Ihr Pastor ist schon unterwegs, eine Nachbarin ist drinnen und kümmert sich um sie.“
„Sonst noch jemand im Haus?“
„Nein. Die ältere Schwester übernachtet bei ihrer besten Freundin.“
„Die Glückliche. Muss ich sonst noch etwas wissen?“
Der Officer zögerte kurz. „Nein.“
„Ganz sicher?“, bohrte sie nach.
„Es ist nur … es …“ Er wich ihrem Blick aus. „Es sieht ziemlich übel aus.“
M.C. nickte. „Lassen Sie so wenig Leute wie möglich ins Haus. Wenn irgendjemand deshalb Fragen hat, soll er sich an mich wenden. Oder an Detective Lundgren.“
Die letzten Worte kamen ihr nur mit Widerwillen überdie Lippen. Sie selbst hatte das gemerkt, aber ob es dem Officer wohl auch aufgefallen war? Als sie das Haus betrat, schlug ihr der Geruch von verbranntem Toast entgegen. Die Mutter saß am Küchentisch, den Kopf über eine Tasse Kaffee gebeugt, ihr Gesichtsausdruck war vom Schock geprägt.
Die Nachbarin stand unbeholfen hinter ihr und blickte drein, als würde ihr jeden Moment übel.
M.C. ging nach rechts durch den Korridor. Es war nicht schwer, das Zimmer des Mädchens zu finden, da ein Officer vor der Tür stand und Wache hielt.
Als sie bei ihm ankam, nickte sie ihm knapp zu. „Ist außer Ihnen irgendwer drin gewesen?“
„Nein, Detective.“
„Haben Sie irgendetwas angefasst?“
„Ich habe nur ihren Puls gefühlt.“
Sie sah zum Kinderbett und entdeckte das Opfer, dessen Hände wieder in eine sonderbare Haltung gebracht worden waren – die drei mittleren Finger der rechten Hand waren ausgestreckt, die linke war zur Faust geballt.
Eine plötzliche Aufgeregtheit ergriff von M.C. Besitz. Sie hatten einen noch unberührten Tatort und damit eine weitere Chance, diesen Kerl zu schnappen. Vielleicht war ihm ja diesmal ein Fehler unterlaufen.
„Guten Morgen, M.C.“
Sie drehte sich um und erkannte Detective Scott Snowe von der Spurensicherung, der als Erster eingetroffen war. Zweifellos würde der Chief aus allen betroffenen Abteilungen jemanden herschicken. Snowe hatte Kamera und Videorekorder bereits einsatzbereit, damit er den Raum filmen konnte, bevor zu viele Leute zum Tatort kamen und irgendetwas im Zimmer verändert wurde.
„Guten Morgen“, erwiderte sie.
Snowe deutete auf das Kinderzimmer. „Ziemlich beschissener Start ins Wochenende, wie?“
„Kann man wohl sagen. Du willst filmen?“
„Wenn es dich nicht stört. Ich beeile mich auch.“
„Nur zu.“
Er ging ins Zimmer und hielt noch einmal kurz an. „Lundgren ist übrigens auf dem Weg. Als ich ins Haus kam, fuhr sie gerade vor. Und auch ein Ü-Wagen von Kanal 13.“
„Wieso wissen die schon von dem Mord?“
Das war eine rhetorische Frage, und der Detective sparte sich eine Antwort.
Während er seiner Arbeit nachging, sah M.C. sich rasch in den beiden anderen Schlafzimmern um. Das der ältesten Tochter wirkte, als sei ein Tornado mitten hindurchgezogen. Das Zimmer der Mutter sah fast genauso chaotisch aus, allerdings aus einem anderen Grund. Mehrere Körbe mit gewaschener Wäsche standen herum, die noch zusammengelegt oder gebügelt werden musste, auf dem Nachttisch lagen einige Stapel Liebesromane und Krimis. Daneben standen zwei Weingläser.
M.C. stutzte. Hatte die Frau letzte Nacht Besuch gehabt? Sie beugte sich hinunter und schnupperte an den Gläsern, ohne sie zu berühren. Eindeutig Weißwein in beiden Gläsern.
Ihr Blick wanderte zur anderen Seite des Betts. Sollte wirklich noch jemand hier gewesen sein, dann hatte auf dieser Seite niemand geschlafen. Es war ordentlich gemacht und mit etlichen Stapeln Unterlagen übersät. Den Papieren nach zu urteilen, musste die Mutter des toten Mädchens als Maklerin arbeiten.
„Irgendetwas Ungewöhnliches festgestellt?“
M.C. drehte sich um und sah Kitt in der Tür stehen. „Noch nicht. Sie sind spät dran.“
„Die Medien versammeln sich da draußen zum großen Gipfeltreffen.“
„Sie wollten den Job als Zirkusdirektor, und Sie haben ihn bekommen. Herzlichen Glückwunsch.“
Erstaunt stellte sie fest, dass Kitt auf die Bemerkung nicht ansprang, sondern erwiderte: „So wie es aussieht, haben drei Sender einen anonymen Anruf erhalten.“
„Anonyme Anrufe haben in letzter Zeit wahrlich Hochkonjunktur.“
„Morde an
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