Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
machen.
Seit ihrem Gefühlsausbruch am Morgen hatte sie Riggio nicht mehr gesehen, da sie selbst in der Nachbarschaft nachgefragt hatte, ob jemandem etwas aufgefallen war, während ihre Kollegin mit dem Vater, der Schwester und anderen Personen gesprochen hatte, die in irgendeiner Beziehung zu dem ermordeten Mädchen standen.
Kitt fürchtete sich vor der anstehenden Besprechung, da Sal und Sergeant Haas von M.C. inzwischen sicher längst über ihren Ausbruch informiert worden waren. Immerhin hatte Kitt ihr ja auch genau den richtigen Stoff geliefert, mit dem das Vertrauen der Vorgesetzten in sie unterhöhlt werden konnte.
Allerdings … Kitt brauchte niemanden, der das Vertrauen anderer in sie unterhöhlte. Das hatte sie längst selbst erfolgreich geschafft.
Sie rieb sich ihre pochenden Schläfen. Es war lachhaft. An dem Tag, an dem man Julie Entzel fand, hatte sie Riggio noch entgegengehalten, es gehe nicht um sie. Dabei war Riggio diejenige, die kühl und objektiv geblieben war, während sie selbst die Situation nicht im Griff hatte. Wie konnte sienur je glauben, für diesen Fall stark genug zu sein?
Ihre Gedanken kehrten zum vergangenen Abend zurück, zu der Notiz an ihrer Haustür. Nachdem sie den Zettel zusammen mit der Reißzwecke in die Spurensicherung gebracht hatte, veranlasste Sergeant Campo, dass einer seiner Mitarbeiter auch die Haustür nach irgendwelchen Spuren absuchte. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemand könnte dort fündig werden. Peanut war viel zu gründlich und würde einen so dummen Fehler nicht begehen.
Ich melde mich.
Ihr Blick wanderte zum Telefon. Wann würde er sich bei ihr melden?
Plötzlich merkte sie, dass ihre Hände zitterten, und sie legte sie rasch in den Schoß. Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre dieses verräterische Zittern für sie Grund genug gewesen, einen Schluck Alkohol zu trinken, weil der sie zur Ruhe hätte kommen lassen. Im Handschuhfach ihres Wagens und in einem Stiefel in ihrem Spind hatte sie stets eine Flasche griffbereit gehabt.
Doch diese Zeiten waren vorüber. Das war ein Teil ihrer Vergangenheit, den sie nie wieder aufleben lassen würde.
„Hunger?“
Als Kitt die Stimme ihrer Partnerin hörte, blickte sie auf. M.C. stand in der Tür und hielt eine braune Papiertüte in der Hand. Den Fettflecken im Papier nach zu urteilen, musste der Inhalt aus dem kleinen Lokal gegenüber stammen.
„Ich bin schon halb verhungert“, sagte sie, rechnete aber fest damit, dass M.C. daraufhin zufrieden grinsen und dann beginnen würde, vor ihren Augen ein großes Sandwich zu essen.
Stattdessen kam sie herein, setzte sich zu ihr an den Tischund machte die Tüte auf. „Ich dachte mir schon, dass Sie keine Zeit hatten, unterwegs noch irgendwo anzuhalten.“ Sie holte zwei Sandwiches heraus. „Rueben oder Pastrami mit Schweizer Käse auf Roggen?“
Kitt war ein wenig irritiert, weil die jüngere Frau mit einem Mal so aufmerksam war. „Entscheiden Sie.“
Riggio gab ihr das Sandwich mit Pastrami und Käse. „Chips habe ich vorsichtshalber auch noch mitgebracht. Natürlich Mrs. Fisher’s.“
Mrs. Fisher’s war eine Marke aus Rockford, die vor allem in der Stadt selbst reißenden Absatz fand. Als Kitt noch jünger war, hatte ihre Mom sie im Zehnliterblecheimer direkt bei der Fabrik gekauft.
Sie packten die Sandwiches aus, die beide mit einem großen Dillgurkenspieß garniert waren, und begannen genüsslich zu essen.
„Hat sich in der Nachbarschaft irgendeine Spur gefunden?“, fragte M.C. zwischen zwei kräftigen Bissen fettigem Rueben, einer Spezialität mit Corned Beef, Sauerkraut und Mayonnaise.
„Absolut nichts. Nicht mal ein Hund hat in der Nacht gebellt.“ Kitt spülte den letzten Bissen mit einem Schluck Wasser runter. „Dieser Kerl sucht sich ein völlig abgelegenes Viertel aus, parkt seinen Wagen für Stunden in irgendeiner ruhigen Gasse, aber kein Mensch nimmt von ihm Notiz. Niemand hört etwas, niemand steht in der Nacht auf und sieht zufällig den Wagen. Wer ist dieser Kerl?“
Sie blätterte ihre Notizen durch, um Gewissheit zu haben, dass ihr nichts entgangen war. Schließlich schüttelte sie den Kopf. Es gab einfach keinen Hinweis. „Die arme Kleine ist erst letzten Monat zehn geworden.“
M.C. trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. „Vielleicht lebt er ja in der Nachbarschaft.“
„Könnte sein. Er ist nicht hingefahren, sondern hingegangen.“ Kitt öffnete die Tüte Chips. „Danke übrigens. Wie viel bin ich Ihnen
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