Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
nur mit dem Engelmörderzu tun haben, wäre eine Haftstrafe eine denkbare Erklärung. Immerhin sind fünf Jahre seit den letzten Morden vergangen. Wir benötigen die Namen aller Strafgefangenen, die in jüngster Zeit entlassen wurden.“
Kitt lehnte sich nachdenklich zurück. „Der ursprüngliche Engelmörder beging drei Morde, jeweils im Abstand von genau sechs Wochen. Dann hörte das Töten auf.“ Sie dachte über seine Anrufe nach: „Er glaubt, seine Verbrechen waren perfekt. Das ist ihm wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger als der Wunsch, für diese Verbrechen nicht belangt zu werden. Was sagt das über den Täter aus? Wer ist er?“
„Er ist arrogant“, gab M.C. zurück. „Und er ist dreist. Er will zeigen, dass er der Beste ist.“
„Er glaubt, das hat er längst gezeigt“, überlegte Kitt. „Und dann kommt auf einmal ein Nachahmer daher. Unser Engelmörder ist sauer, weil er glaubt, der andere werde es nicht so perfekt machen und ihn in einem schlechten Licht dastehen lassen.“
„Er denkt, der Nachahmer geht nicht so sorgfältig vor“, ergänzte M.C. „Er wird Spuren hinterlassen. Oder er wählt seine Opfer nicht zufällig aus, oder aber ihm fehlt die Beherrschung, um mit dem Morden auch wieder aufzuhören. Er ist bereits vom Schema abgewichen, da er zwei Mädchen in nur drei Tagen ermordet hat.“
Der Engelmörder hatte das kommen sehen, ganz ohne Zweifel.
Er wusste, wer der Mörder war.
Kitt wollte diesen Gedanken aussprechen, als ihr etwas anderes in den Sinn kam. Selbstbeherrschung. Mein Gott!
„Was denken Sie gerade?“, wollte M.C. wissen.
„Wenn der Engelmörder nicht im Gefängnis war, sondernganz bewusst dem Morden ein Ende gesetzt hat, damit das Risiko nicht zu groß wird, von uns gefasst zu werden, dann haben wir es mit einem ganz anderen Typ Serienmörder zu tun. Einem, der seine Bedürfnisse außerordentlich gut im Griff hat.“
„Was ihn umso gefährlicher machen würde.“
„Richtig.“
M.C. stand auf. „Also brauchen wir irgendwelche stichhaltigen Beweise.“
„Wir wissen nicht, ob und wann er wieder aufhört.“
„Dann müssen wir versuchen, eine Verbindung zwischen den Opfern zu finden.“
„Bingo.“ Kitt stand ebenfalls auf und zog ihre Jacke von der Rückenlehne ihres Stuhls. „Informieren wir Sal und Sergeant Haas. Und dann reden wir noch mal mit den Eltern der Mädchen.“
18. KAPITEL
Freitag, 10. März 2006
16:20 Uhr
Julie Entzels Mutter trug noch immer Bademantel und Pantoffeln, als sie die Haustür öffnete. Sie sah, wer vor der Tür stand, und machte zuerst einen erschrockenen, dann aber hoffnungsvollen Eindruck.
„Haben Sie schon eine Spur?“, fragte sie.
„Noch nichts Entscheidendes“, antwortete M.C. leise. „Wir möchten Ihnen noch ein paar Fragen stellen.“
Margie Entzel war augenblicklich am Boden zerstört. Wortlos nickte sie und machte die Tür weiter auf, dann schlurfte sie vor ihnen her in ein kleines Wohnzimmer. Im Fernsehen lief der Wetterkanal.
Sie griff nach der Fernbedienung, schaltete den Lautsprecher stumm und sah dann die beiden an. „Den lasse ich am liebsten laufen, weil ich dann nicht nachdenken muss.“
Kitt gab einen zustimmenden Laut von sich und beugte sich vor. „Mrs. Entzel, ich bin Detective Lundgren. Mein Beileid zu Ihrem Verlust.“
Die Frau hatte Mühe, etwas zu erwidern, dann sagte sie mit tränenerstickter Stimme: „Sie waren vor Kurzem im Fernsehen. Habe ich gesehen, als das andere Mädchen umgebracht wurde.“
„Ja.“ Kitt warf ihrer Partnerin einen kurzen Blick zu, während sie beide sich setzten. „Wir werden den Mörder finden, sehr bald schon. Sie könnten uns dabei helfen.“
Nachdem Margie Entzel sich gesetzt und die Hände in den Schoß gelegt hatte, nahm ihre Miene einen entschlossenenAusdruck an: „Und wie?“
„Wir versuchen, eine Verbindung zwischen Ihrer Tochter und dem anderen ermordeten Mädchen zu finden. Kannten Sie das Mädchen oder dessen Familie?“
Die Frau schüttelte den Kopf. Gemeinsam gingen sie eine Liste möglicher Treffpunkte durch – Schule, Kirche, Kinderarzt, Supermärkte, Restaurants. M.C. machte Notizen, während Kitt der Mutter aufmerksam zuhörte und versuchte, ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
„Gab es in den letzten Monaten irgendwelche außergewöhnlichen Vorkommnisse oder Ereignisse?“
Man sah Margie Entzel an, wie angestrengt sie nachdachte. „Die Mädchen hatten die Softball-Ausscheidungskämpfe … der siebzigste Geburtstag
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