Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
versprach M.C., den Namen Fun Zone nicht bei den Medien ins Spiel zu bringen.
Sie verließen das Büro mit einer Liste der Angestellten, den Unterlagen von den Tagen, an denen die beiden Partys stattgefunden hatten, außerdem mit den aktuellen Aufnahmen der Überwachungskameras.
Als sie wieder im Wagen saßen, sah Kitt M.C. nachdenklichan. „Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber dass er Sie als Engel bezeichnet hat, kann ich noch gar nicht fassen.“
„Er hat längst vergessen, dass ich die beiden erst abholen wollte, nachdem mir jeder von ihnen fünfzehn Dollar versprochen hatte.“
„Ja, das klingt schon eher nach der Mary Catherine Riggio, die ich kenne.“
„Hey, das war immer noch um Längen besser, als wenn Mom und Dad es herausgefunden hätten. Max wäre für den Rest seines Lebens in sein Zimmer eingeschlossen worden.“ Sie fuhr los. „Erinnern Sie mich übrigens von Zeit zu Zeit daran, dass ich niemals Kinder haben will.“
Kitt sah sie verwundert an. „Wieso nicht?“
„Einmal Fun Zone reicht für ein ganzes Leben.“
„Wenn man selbst ein Kind hat und sieht, wie viel Spaß es hat, kommt es einem gar nicht mehr so schlimm vor.“
M.C. verzog das Gesicht. „Wie gesagt: Erinnern Sie mich von Zeit zu Zeit daran, dass ich niemals Kinder haben will.“
„Ist das wirklich Ihr Ernst?“
Auf einmal musste sie an Benjamin denken und daran, wie sehr sie den Jungen liebte. „Na, sicher. Wer braucht schon Kinder. Sie müssen doch zugeben, dass sie einem nur Ärg…“ Kaum war ihr der unvollständige Satz herausgerutscht, erkannte sie ihren Fehler. „Tut mir leid, Kitt. Ich habe nicht nachgedacht, ich …“
„Schon gut“, gab diese zurück.
M.C. sah, wie Kitt aus dem Seitenfenster schaute und die Hände verkrampft in den Schoß legte. Sie hätte sich am liebsten rechts und links geohrfeigt, weil sie etwas so Dämliches und Rücksichtsloses gesagt hatte. „Ich bin so ein Trottel. Ehrlich, es tut mir leid.“
Kitt schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie’s einfach. Reden wir lieber über den Fall.“
„Es ist jetzt kurz vor sieben“, sagte sie, dankbar darüber, das Thema wechseln zu können. „Wollen wir noch weiter ermitteln oder Feierabend machen? Ich überlasse es Ihnen.“
„Ich würde sagen, wir überprüfen diese Namensliste. Wir sehen ja, wie weit wir es schaffen.“
„Alles klar.“ M.C. fuhr in Richtung Whitman Street Bridge. „Zum Teufel mit dem Freitagabend.“
20. KAPITEL
Freitag, 10. März 2006
22:35 Uhr
Sie hatten drei Viertel der Liste durchgearbeitet, als M.C. vorschlug, für den Abend Schluss zu machen. Sie war müde und hungrig, und die Recherche hatte bislang nur ergeben, dass einer der Angestellten einmal betrunken Auto gefahren war. Kitt stimmte ihr zu, und sie nahmen sich vor, die restlichen Namen am nächsten Morgen zu überprüfen. Wenn man bis über beide Ohren in einem Mordfall steckte, kümmerte es niemanden, ob Wochenende war oder nicht.
Allmählich begann M.C. daran zu zweifeln, dass die Fun Zone tatsächlich ein Grund war, auf eine baldige Aufklärung zu hoffen. Zwar hatten beide Kinder dort ihren Geburtstag gefeiert, aber der Mörder konnte ebenso gut selbst Kinder haben, mit denen er dort hinging. Während er den liebevollen Vater spielte, hielt er die ganze Zeit über nach seinem nächsten Opfer Ausschau.
Unter dieser Voraussetzung würde es nur noch schwieriger werden, ihn aufzuspüren.
M.C. fuhr in die Auffahrt vor ihrem Haus und hielt an, machte aber keine Anstalten, den Motor abzustellen und auszusteigen. Sie hatte Kitt nur deshalb allein im Büro zurückgelassen, weil die ihr versicherte, allenfalls noch fünf Minuten zu bleiben.
Sie atmete tief durch und ließ den Tag Revue passieren. Dabei dachte sie auch an Kitt, an den Schmerz in ihren Augen und ihrer Stimme, als sie von ihrer Tochter erzählte. Und an ihre Worte am Abend, als sich M.C. auf den Heimweg machte.
„Hey, Riggio.“ Sie war noch einmal stehen geblieben und hatte sich zu Kitt umgedreht. „Nur damit Sie’s wissen: Mutter zu sein war das Beste, was mir je widerfahren ist.“
Beim Gedanken an diese Bemerkung schnürte sich ihre Kehle aufs Neue zu. Sie dachte an Marianne Vest, dann an Julie Entzels Mutter, die noch nachmittags um vier Uhr im Bademantel durchs Haus lief.
Im Vergleich mit diesen verzweifelten Menschen waren all die kleinen Dramen, mit denen sich M.C. abplagte, völlig bedeutungslos.
Ihr Blick wanderte zu ihrem Haus. Das Licht auf der Veranda war dunkel,
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