Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
nicht. Wenn ich nicht diese berühmte Sahnetorte probiere, werde ich es für die nächsten Wochen bereuen. Welche Sorte schlagen Sie vor?“
Da er nicht einer einzelnen Sorte den Vorzug geben konnte, bestellte er kurzerhand von jeder ein Stück: Kokosnuss, Schokolade, Erdbeere und Zitrone, dazu zwei Tassen Kaffee. Als Betty die Stücke an den Tisch brachte, war M.C. völlig überrascht: Jedes war riesig und bestimmt fünfzehn Zentimeter hoch.
„Sie kamen mir sehr hungrig vor“, meinte er.
Die nächsten Minuten verbrachten sie damit, von jeder Sorte zu probieren, wobei Lance ihr stets den Vortritt ließ. Die Jugendlichen, die von dieser Schlemmerei offenbar auf eine Idee gebracht worden waren, bestellten ebenfalls vier Stücke.
„Ja, ich kann das nicht leugnen. Das ist wirklich die beste Sahnetorte, die ich je gegessen habe.“
„Lieblingssorte?“
„Kokosnuss. Dicht gefolgt von Schokolade.“
Er lächelte sie an. „Meine ebenfalls, allerdings gefolgt von Zitrone.“
Nach einem weiteren Happen Kokosnuss legte sie die Gabel zur Seite und schwor sich, erst ein wenig zu warten, ehe sie die nächste Runde in Angriff nahm.
„Und wie ist die Arbeit so?“, fragte sie.
„Ein Witz.“
„Berufshumor?“
„Ich kann nicht anders.“ Er nahm eine weitere Gabel voll Dessert in den Mund. „Die Arbeit ist gut, ich habe zu tun. Und bei Ihnen?“
„Mörderisch“, kam ihr so todernst über die Lippen, dass er schallend lachen musste.
„Berufshumor?“
„Aber ja.“
„Wie ist das Leben als Cop?“
„Wie ist das Leben als Komiker?“
Ihn schien es nicht zu stören, dass sie seine Frage mit einer Gegenfrage beantwortete. „Befriedigend, schmerzhaft, aufregend, frustrierend. Wenn das Publikum mitgeht, ist man auf dem Höhenflug. Wenn nicht, ist es das Schlimmste, was einem passieren kann. Natürlich gehört auch dazu, genug Geld zu verdienen, um weitermachen zu können und um jeden Tag etwas zu essen zu bekommen.“
„Warum machen Sie weiter?“
„Weil ich es muss“, antwortete er. „So werde ich wenigstens nicht verrückt.“
Seine ehrliche Art gefiel ihr. Sie mochte, dass er nicht vorgab, mehr zu sein, als er wirklich war.
Ihr Mobiltelefon klingelte. „Riggio“, meldete sie sich sofort.
„Kitt hier. Wir haben ihn.“
Augenblicklich war M.C. wieder ganz auf den Fall konzentriert. „Wer ist es?“
„Derrick Todd, wegen sexueller Vergehen verurteilt.“
„Und er arbeitet wirklich in der Fun Zone? Bin schon auf dem Weg.“
Sie steckte das Telefon weg, woraufhin er mit Bedauern in der Stimme sagte: „Sie müssen weg?“
„Es tut mir leid.“ M.C. trank ihren Kaffee aus und stand auf. „Es war ein schöner Abend. Danke für die Torte.“
„Können wir uns wieder mal treffen?“, fragte er.
„Auf jeden Fall“, antwortete sie. „Ich freue mich schon darauf.“
Sie war längst auf dem Weg zum Büro, da fiel ihr ein, dass sie ihm gar nicht ihre Telefonnummer gegeben hatte. Wenn er sich wirklich wieder mit ihr treffen wollte, würde er sie wohl doch im Büro anrufen müssen.
21. KAPITEL
Samstag, 11. März 2006
0:05 Uhr
M.C. fand Kitt an ihrem Schreibtisch vor, wo sie einen Ausdruck durchlas. „Sie hatten doch erklärt, Sie würden höchstens noch fünf Minuten bleiben“, sagte M.C., der auffiel, wie gereizt sie klang. Lag es daran, dass diese Frau sich mehr in die Arbeit vertieft hatte als sie selbst? Oder ärgerte es sie, bei einem unterhaltsamen Abend gestört worden zu sein?
Kitt sah aufgeregt auf. „Das wollte ich auch, aber dann habe ich immer noch einen weiteren Namen eingegeben, und als Letzter auf unserer Liste taucht auf einmal Derrick auf.“ Sie gab M.C. den Ausdruck.
„Vierundzwanzig Jahre alt, Techniker bei Fun Zone. Fertigkeiten, die er sich wohl im Bau angeeignet hat. Saß für unzüchtiges Verhalten gegenüber einem Kind zwei Jahre im Big Muddy River.“
Das Big Muddy River bot ein spezielles Programm für Sexualstraftäter an. „Wann wurde er entlassen?“
„Vor knapp einem Jahr. Das würde zu unserer Theorie passen, dass der Engelmörder und sein Nachahmer sich im Gefängnis kennengelernt haben.“
M.C. blätterte die Seiten durch und stutzte, weil es sich durchweg um minderschwere Vergehen handelte. Ladendiebstahl, Fahren unter Alkoholeinfluss, Drogenbesitz. Und dann die Sexualstraftat.
Doch das Ganze ergab das Bild eines jungen Mannes, der nach und nach vom rechten Weg abgekommen war.
„Er müsste sich doch regelmäßig bei der Polizei
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