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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Römertagen zu stammen, und die Säulen, die aus ihm hervortraten, verstärkten diesen Eindruck.

    Fenster gab es nicht. Sie befanden sich in einer Höhle; ob natürlich oder von Menschenhand geschaffen, war nicht auszumachen. Auf den zerschlissenen Möbeln, die aussahen wie vom Sperrmüll geholt, tummelten sich zahlreiche Katzen. Zwei oder drei liefen der alten Frau entgegen und strichen schnurrend um ihre Beine.
    «Setzen Sie sich.» Die Signora zeigte mit dem Stock auf einen wackligen Tisch, über den graziös eine schlanke Katze mit blauschwarzem Fell und stechenden gelben Augen stolzierte. Die Alte nahm auf einem Holzstuhl Platz und zog die Blauschwarze auf ihren Schoß. Nach einem kurzen Blick auf die Katzen-genossin gab die Gestreifte auf Signora del Grossos Schulter sich wieder gleichgültig. «Wie sind Sie auf mich gekommen?»
    Alexander hielt sich bewusst zurück. Elena hatte ihn hergeführt, also sollte sie antworten. Es war ihr Spiel.
    «Wer sich die alten Tempel ansieht, muss einfach auf die vielen Katzen aufmerksam werden», sagte die Journalistin.
    «Leider nicht», entgegnete die alte Frau. «Die meisten wollen nur den Bus oder die Bahn erwischen. Früher, als die große Anna sich noch um die Katzen kümmerte, war das anders.»
    Wie von selbst ruckte ihre knotige Rechte hoch, und der Stock wies auf ein Wandbrett, an das mehrere vergilbte Fotos geheftet waren. Es zeigte Frauen unterschiedlichen Alters und in den verschiedensten Kostümierungen. Bei genauerem Hinsehen erkannte Alexander, dass es immer ein und dieselbe Frau war, offenbar eine Schauspielerin in diversen Rollen. Dunkle Haare umwallten ein herbes Gesicht, das von einer zu langen Nase beherrscht wurde. Der Mund wirkte dagegen unangemessen klein. Obwohl das Gesicht so gar nicht dem von Kino und Werbefernsehen geprägten Schönheitsideal entsprach, strahlte die Frau eine ungeheure Lebenslust und Sinnlichkeit aus.
    «Das ist Anna Magnani!», entfuhr es Elena.
    «Das war sie. Vor vielen Jahren. Sie hat sich um die Katzen gekümmert, auch als sie alt und krank war. Ich war damals um einiges jünger und habe ihr geholfen.»
    Alexander stand auf, um die Fotos aus der Nähe zu betrachten.
    Eine Katze, auf die er fast getreten wäre, floh mit einem schnellen Sprung Unter den Fotos war ein alter, fast gänzlich vergilbter Zeitungsartikel befestigt. Gerade mal die Überschrift war noch zu entziffern: Filmstar füttert Katzen.
    Auf dem dazugehörigen Foto sah man die alte Anna Magnani und eine hübsche Frau in den Dreißigern. Er musste zweimal zum Tisch und wieder auf das Foto schauen, um in der jüngeren Frau Signora del Grosso zu erkennen. Die Bildunterschrift lautete: Für Roms Straßenkatzen im Einsatz – Schauspielerin Anna Magnani und eine hilfreiche Katzennärrin.
    «Annas berühmter Name hat viele Brieftaschen geöffnet», fuhr Signora del Grosso fort. «Nach ihrem Tod wurde es immer schwieriger, Geld für die Katzen zu bekommen.»
    Alexander setzte sich wieder und fragte: «Weshalb leben Sie
    … hier unten?»
    «In dieser Ruine, wollten Sie sagen», stellte die Katzennärrin fest und bleckte die wenigen gelblich schwarzen Zähne, die ihr geblieben waren. «Dafür gibt es zwei gute Gründe. Zum einen ist es sehr billig hier, ich zahle nämlich keine Miete. Vielleicht hat die Stadtverwaltung mich einfach vergessen, vielleicht sind sie aber auch ganz froh, eine unbezahlte Nachtwächterin für die Tempel zu haben. Und zum anderen muss ich hier sein, weil die Katzen hier sind.»
    «Erklären Sie uns das bitte, Signora», bat Elena.
    Die Katzennärrin streichelte das Tier auf ihrem Schoß. «Es gab Zeiten, da wurden diese herrlichen Geschöpfe von den Menschen sehr verehrt. Im alten Ägypten hat man zur Katzengöttin Bastet gebetet. Auf das Töten einer Katze stand die Todesstrafe. Der Körper einer gestorbenen Katze wurde mumifiziert, und ihr Besitzer rasierte sich zum Zeichen der Trauer die Augenbrauen. In der Spätantike haben ägyptische Mönche die Katze als Haustier überall im Morgenland verbreitet. Während der Kreuzzüge stellten die abendländischen Ritter erstaunt fest, dass die gegnerischen Krieger Katzen außerordentlich schätzten; also haben die Soldaten Christi die ihnen weitgehend unbekannten Tiere in ihre Heimat mitgebracht, als Geschenk für die Damen, aber auch als Jäger von Mäusen und Ratten. Als König Ferdinand von Neapel einmal sämtliche Katzen auf der Insel Procida töten ließ, weil er ihre Konkurrenz bei der

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