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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zerschmetterten Leichnam eines Sitha schwang. Das Gesicht des Reiters war streng und ausdruckslos wie das eines Falken. Er spornte sein Pferd.
    Jiriki und zwei andere hatten einen weiteren Riesen auf die Knie gezwungen und hackten jetzt auf das noch lebende Ungetüm ein, als wollten sie einen Ochsen schlachten. Große Blutströme sprudelten empor und hüllten Jiriki und seine Kameraden in einem klebrigen Nebel ein.
    Eine Schar von Nornen hatte den schlaffen Körper Zinyadus auf ihre Speere gehoben. Das blassblaue Haar war rotverklumpt. Triumphierend rannten die Krieger auf die Mauern von Naglimund zu. Chekai’so und der schwarze Kuroyi ritten sie nieder, bevor sie ihre Beute in Sicherheit bringen konnten. Jeder von ihnen tötete drei ihrer weißhäutigen Brüder, obwohl auch sie selbst zahlreiche Wunden davontrugen. Als sie die Nornen niedergemetzelt hatten,legte Chekai’so Bernsteinlocken Zinyadus Leichnam quer über seinen Sattel. Sein strömendes Blut mischte sich mit dem ihren, als er und Kuroyi sie zurück ins Lager der Sithi brachten.
     
    So verging der Tag, erfüllt von Wahnsinn und Elend. Hinter Nebel und Schnee überschritt die Sonne den Mittag und begann zu sinken. Langsam färbte das Licht eines trüben Nachmittags die zerstörte Westmauer der Festung und goss sein eigenes Rot auf den ohnehin schon geröteten Schnee.
     
    Am Rande der Schlacht wanderte Maegwin dahin wie ein Geist – und ein Geist war sie ja auch. Zuerst hatte sie sich hinter den Bäumen versteckt, aus Angst, Zeugin so vieler Greueltaten werden zu müssen. Schließlich aber hatte die Vernunft sie wieder ins Freie geführt.
    Wenn ich ohnehin tot bin, wovor sollte ich mich fürchten?
    Aber es war schwer, auf die blutigen Körper zu blicken, die überall auf dem verschneiten Hang umherlagen, und keine Todesangst zu empfinden.
    Götter sterben nicht und Menschen nur einmal, tröstete sie sich selbst. Wenn dieser Kampf entschieden ist, werden sie alle wieder auferstehen.
    Aber wenn sie alle wieder auferstanden, welchen Sinn hatte dann diese Schlacht? Und wenn die Götter unsterblich waren, was hatten sie dann von den Dämonenhorden von Scadach zu fürchten? Das alles war so verwirrend.
    So ging Maegwin in tiefem Sinnen langsam an Erschlagenen und denen, die sie erschlagen hatten, vorbei. Ihr Mantel flatterte hinter ihr her, und ihre Füße hinterließen kleine, regelmäßige Abdrücke im Schaum aus Weiß und Scharlachrot.

9
Das Dritte Haus

    imon war außer sich vor Wut. Sie waren in die Falle gegangen, so sanft und ahnungslos wie Frühlingslämmer, die man zur Schlachtbank führt.
    »Könnt Ihr Eure Hände bewegen?«, flüsterte er Miriamel zu.
    Seine eigenen Handgelenke waren sicher gefesselt. Die beiden Feuertänzer, die das erledigt hatten, kannten sich mit Knoten aus.
    Miriamel schüttelte den Kopf. In der wachsenden Dunkelheit konnte er sie kaum noch erkennen. Sie knieten nebeneinander in der Mitte der Waldlichtung. Man hatte ihnen die Arme auf den Rücken geschnürt und die Knöchel zusammengebunden. Miriamel gefesselt und hilflos zu sehen erinnerte Simon an den Anblick stummer Tiere, die man zum Schlachten vorbereitet, und schwarze Galle stieg in ihm auf.
    Und ich bin ein Ritter! Bedeutet das gar nichts? Wie konnte ich so etwas zulassen!
    Er hätte es wissen müssen. Aber er hatte sich ja wie ein Mondkalb von den Schmeicheleien dieses Roelstan einwickeln lassen. »Du hast doch gesehen, wie dieser Ritter das Schwert schwingt«, hatte der Verräter gesagt. »Der hat von den Feuertänzern nichts zu befürchten.«
    Und ich habe ihm geglaubt. Ich bin nicht würdig, ein Ritter zu heißen. Ich bin eine Schande für Josua und Morgenes und Binabik und alle anderen, die sich bemüht haben, mir etwas beizubringen.
    Wieder strengte er sich vergeblich an, seine Fesseln zu lockern, aber die Stricke hielten ihn fest im Griff. »Ihr wisst etwas über diese Feuertänzer, nicht wahr? Was werden sie mit uns tun? Was meinen sie, wenn sie sagen, sie wollten uns dem Sturmkönig darbringen? Wollen sie uns verbrennen?«
    Er fühlte, wie Miriamel neben ihm schauderte. »Ich weiß nicht.« Ihre Stimme klang flach und ausdruckslos. »Wahrscheinlich.«
    Einen Augenblick verdrängte jähes Bedauern Simons Entsetzen und Zorn. »Ich habe Euch im Stich gelassen, wie?«, fragte er leise. »Ein schöner Beschützer bin ich.«
    »Es war nicht deine Schuld. Man hat uns hereingelegt.«
    »Ich wünschte nur, ich bekäme diesen Roelstan in die Finger. Seine Frau hat noch

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