Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
mit meinen Augen etwas wie ihn erblickt, obwohl Simon mir von ihnen erzählt hat.« Kopfschüttelnd griff er nach seinem Feuerstein, um das Holz in Brand zu setzen. »Ich weiß nicht, was er hier will, obwohl ich überzeugt bin, dass er nach dem Willen des Sturmkönigs handelt. Ich werde darüber noch nachdenken.« Das Feuer begann zu züngeln. Der Troll nahm seinen Reisesack und wühlte darin herum. »Lasst mich die Stellen reinigen, an denen ihr Schnittwunden habt.«
    Simon saß still daneben, als Binabik mit einem feuchten Lappen Miriamels zahlreiche Wunden abtupfte und dann etwas aus einem kleinen Tiegel daraufrieb. Als Simon an der Reihe war, fielen ihm schon fast die Augen zu. Er gähnte.
    »Aber wie kamst du hierher, Binabik?« Er zuckte zusammen, als der kleine Mann eine schmerzende Stelle berührte. »Was … wie …?«
    Der Troll lachte. »Bald wird Zeit genug sein, alles zu berichten. Zuerst freilich sind Essen und Schlafen von Bedeutung.«
    Er betrachtete die beiden. »Hm. Vielleicht erst Schlafen, dann Essen.« Er stand auf und klopfte sich die Hände an der weiten Hose ab. »Dort ist etwas, über das ihr euch freuen werdet.« Er deutete hinüber in die Dunkelheit, wo Heimfinder und Miriamels Reittier standen und aus dem kleinen Teich tranken.
    »Was ist es?« Simon riss die Augen auf. »Unsere Satteltaschen!«
    »Jawohl, und eure Decken liegen auch darauf. Eine Glücklichkeit war es für mich, dass die Feuertänzer sie noch nicht weggenommen hatten. Ich ließ sie hier, als ich euch den Berg hinauf folgte. Es war ein Wagnis, aber ich wusste nicht, ob sie etwas enthielten, das ihr nicht verlieren durftet.« Er lachte. »Auch wollte ich euch nicht auf beladenen Pferden durch die Finsternis reiten lassen.«
    Simon war schon dabei, seine Schlafdecken heranzuzerren und die Satteltaschen zu untersuchen. »Mein Schwert!«, sagte er erfreut. Dann verdüsterte sich seine Miene. »Ich habe Jirikis Spiegel zerbrochen, Binabik.«
    Der Kleine nickte. »Ich habe es wohl gesehen. Aber ich zweifle, dass ich euch hätte helfen können, wären eure Hände nicht frei gewesen. Ein trauriges Opfer, Freund Simon, aber ein kluges.«
    »Und mein weißer Pfeil …«, fügte Simon sinnend hinzu. »Den vergaß ich auf dem Sesuad’ra.« Er warf Miriamel ihre Schlafdecken zu und fand eine einigermaßen ebene Stelle, um seine darauf auszubreiten. »Ich habe nicht besonders gut auf meine Geschenke geachtet …«
    Binabik lächelte ein winziges Lächeln. »Du sorgst dich zu viel. Schlaft nun eine Weile. Ich werde euch später wecken und euch ein warmes Essen reichen.« Er wandte sich wieder dem Feuer zu. Der Schein der Fackel spielte auf seinem runden Gesicht.
    Simon sah zu Miriamel hinüber, die sich bereits zusammengerollt und die Augen geschlossen hatte. Ihre Verletzungen schienen nicht schwerwiegend zu sein, obwohl sie sichtlich ebenso erschöpft war wie er. Nun hatten sie doch überlebt. Er hatte nicht völlig versagt.
    Plötzlich fuhr er in die Höhe. »Die Pferde! Ich muss noch absatteln.« »Das werde ich tun«, beruhigte Binabik. »Es ist Zeit für eure Ruhe.« Simon legte sich in seine Decken zurück und sah den Schatten zu, die an der Höhlendecke tanzten. Fast sofort war er eingeschlafen.

10
Eine Wunde in der Welt

    as sanfte Plätschern fallenden Wassers weckte Simon. Er hatte davon geträumt, in einem Ring aus Feuer gefangen zu sein, dessen Flammen immer näher und näher kamen. Von irgendwo außerhalb des lodernden Kreises hatte Rachel der Drache nach ihm gerufen: Er sollte herkommen und seine Arbeit tun. Er hatte ihr erklären wollen, dass er gefangen war, aber sein Mund war voller Rauch und Asche gewesen.
    Das Wasser klang so lieblich wie die Morgenandacht in der Hochhorstkapelle. Simon kroch über den raschelnden Höhlenboden und tauchte die Hände in den kleinen Teich. Dann warf er einen kurzen Blick auf seine Handflächen. Im Schein des niedrig brennenden Feuers konnte er nicht erkennen, ob das Wasser trinkbar war. Er roch daran, tauchte kurz die Zunge hinein und trank. Es schmeckte süß und kalt. Wenn es giftig war, hatte er nichts dagegen, so zu sterben.
    Mondkalb. Die Pferde haben daraus getrunken, und Binabik wusch damit unsere Wunden aus.
    Außerdem war selbst der Tod durch Gift dem Schicksal vorzuziehen, dem sie so knapp entgangen waren … wann? Gestern Abend?
    Das kalte Wasser brannte in den Wunden an Armen und Händen. Jeder einzelne Muskel tat ihm weh, die Gelenke waren steif und schmerzten. Trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher