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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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halbes Tausend Ritter zur Verfügung stehen. Wenn ich zum Tor hinausreite, werde ich wahrscheinlich über ihn fallen, so schnell zieht er sich zurück.«
    »Xannasavin sagt, es gibt keinen Grund zur Sorge«, versetzte die Herzogin belustigt. »Er hat den Himmel genau geprüft. Bitte beruhige dich, Benigaris. Sei ein Mann.«
    Der Herzog warf ihr einen eisigen Blick zu, schwieg eine Minute und antwortete dann zähneknirschend: »Eines nicht allzu fernen Tages, Mutter, werdet Ihr zu weit gehen.«
    »Und was willst du dann tun? Mich in eine Zelle sperren? Mir den Kopf abhacken?« Ihre Miene wurde grimmig. »Du brauchst mich, mein Sohn. Ganz zu schweigen von der schuldigen Achtung vor der Frau, die dich geboren hat.«
    Benigaris machte ein finsteres Gesicht, atmete tief durch und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Ritter zu, der die Botschaft des jungen Varellan überbracht hatte. »Worauf wartet Ihr noch?«, erkundigte er sich. »Ihr habt gehört, was ich gesagt habe. Geht und teilt es ihm mit.«
    Der Ritter stand auf, vollführte eine umständliche Verbeugung, drehte sich um und verließ den Thronsaal. Die farbenprächtig gekleideten Damen, die an der Tür gestanden und leise miteinander geschwatzt hatten, sahen ihm nach, steckten die Köpfe zusammen und kicherten.
    Wieder zerrte Benigaris seine Hand aus der Umklammerung des Rüstmeisters, diesmal, um mit den Fingern nach einem der Pagen zu schnippen, der sofort mit einem Becher Wein herbeitrabte. Der Herzog trank und wischte sich den Mund. »Hinter Josuas Heer steckt mehr, als wir zuerst dachten. Die Leute erzählen, der Bruder des Hochkönigs habe einen mächtigen Ritter für sich gewonnen, der an der Spitze seiner Krieger kämpfe. Sie behaupten, es sei Camaris. Auch Seriddan von Metessa glaubt das, zumindest hat er sich Josua angeschlossen.« Er schnitt eine Grimasse. »Hund von einem Verräter!«
    Nessalanta lachte unfroh. »Ich muss zugeben, dass ich Josua wohl zu wenig zugetraut habe. Ein kluger Schachzug! Nichts bringt das niedere Volk so in Wallung, als wenn der Name deines Onkels fällt. Aber Seriddan? Du willst, dass ich mir wegen dieser Hinterwäldler den Kopf zerbreche? Der Kranich von Metessa ist seit fünfhundert Jahren nicht mehr von den Zinnen dieses Palastes geflogen. Sie sind ohne Bedeutung.«
    »Ihr seid also ganz sicher, dass dieses Gerede von Herrn Camaris nichts weiter als eine Kriegslist ist?« Benigaris’ Worte sollten spöttisch sein, klangen aber ein wenig hohl.
    »Natürlich. Wie könnte es anders sein? Camaris ist seit vierzig Jahren tot.«
    »Aber sein Leichnam wurde nie gefunden. Mein Vater litt zeitlebens Qualen, weil er seinem Bruder kein ädonitisches Begräbnis zuteil werden lassen konnte.«
    Die Herzogin murmelte etwas Abweisendes, schaute jedoch nicht von ihrer Nadelarbeit auf. »Ich kannte Camaris, mein wackerer Sohn, du nicht. Selbst wenn er damals in ein Kloster gegangen wäre oder sich Gott weiß wo versteckt hätte, wäre es herausgekommen. Er war so abartig ehrlich, dass er keinen Menschen hätte anlügen können, der ihn nach seinem Namen fragte. Außerdem war er so von sich selbst überzeugt, dass er sich in alles einmischen musste. Ganz sicher hätte er nicht tatenlos zusehen können, wie Priester Johan den zweiten Thrithingkrieg führte, ohne sich hineinzustürzen, nur damit er wieder Camaris der Prächtige war, Camaris der Heilige, Camaris der Große.« Sie stach sich in den Finger und stieß einen unterdrückten Fluch aus. »Nein, es ist nicht Camaris, den Josua da gefunden hat, und ganz gewiss auch nicht sein Geist. Es muss irgendein hochgewachsener Betrüger sein, ein baumlanger Söldner aus dem Grasland, dem man die Haare weiß gepudert hat. Eine List. Aber es kommt ja auch gar nicht darauf an.« Sie betrachtete kurz ihre Stickarbeit und legte dann den Rahmen zufrieden zur Seite. »Selbst der echte Camaris könnte uns nicht stürzen. Wir sind zu stark … und seine Zeit ist ohnehin vorbei, vorbei, vorbei.«
    Benigaris musterte sie abschätzend. »Uns stürzen …?«, begann er, wurde jedoch von einer Bewegung am anderen Ende des Raums unterbrochen.Ein Herold mit dem goldenen Eisvogelabzeichen auf seinem Wappenrock war in der Tür des Thronsaals erschienen.
    »Eure Hoheit«, verkündete der Mann laut und förmlich, »Graf Streáwe von Ansis Pelippé hat sich auf Euer Geheiß hier eingefunden.«
    Der Herzog lehnte sich zurück, ein Lächeln um die schmal gewordenen Lippen. »O ja. Lasst den Grafen ein.«
    Streáwes

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