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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gewicht ihrer Tat begann sich auf Simon zu senken wie eine Zentnerlast. »Ja, Priester Johans Boot. Er ist darin begraben.«
    Binabik kroch ein Stück weiter hinein. »Es ist viel Platz für mich zum Stehen«, verkündete er. Seine Stimme klang dumpf. »Und die Balken über mir scheinen recht kräftig.«
    »Binabik«, sagte Simon, »komm heraus.«
    Der kleine Mann ging rückwärts, bis er sich umdrehen konnte. »Was ist, Simon?«
    »Es war mein Gedanke. Ich bin es, der hineingehen sollte.«
    Binabik hob die Brauen. »Niemand wünscht dir den Ruhm zu rauben, das Schwert zu finden. Es ist nur, dass ich der Kleinste bin und darum am besten geeignet für Höhlenwanderungen.«
    »Es ist nicht der Ruhm. Aber es könnte dir etwas zustoßen. Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst, weil ich einen unklugen Einfall hatte.«
    »Dein Einfall? Simon, dich trifft keine Schuld. Ich handle, wie ich es für das Beste halte. Auch glaube ich, hier drinnen ist nichts, das mich verletzen könnte.« Er stockte. »Doch wenn es dein Wunsch ist …« Er trat beiseite.
    Simon ließ sich auf Hände und Knie nieder, nahm dem Troll die Fackel aus den kleinen Händen und stieß sie vor sich in die Öffnung. Im flackernden Licht erkannte er die gewaltige, erdüberkrustete Wölbung des Schiffsrumpfes. Das Boot bog sich wie ein riesiges, welkes Blatt, gerundet wie ein Insektenkokon … als liege etwas darin, das auf seine Wiedergeburt wartete.
    Er setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Sein Herz raste.
    Mondkalb! Wovor hast du Angst? Priester Johan war ein guter Mann.
    Ja, aber was war, wenn Zorn seinen Geist erfüllte, Zorn über das, was aus seinem Reich geworden war? Außerdem hatte es kein Toter gern, wenn man sein Grab beraubte.
    Simon holte noch einmal tief Luft und ließ sich dann langsam durch das Loch in der Seite des Hügels gleiten.
    Er rutschte die bröckelnde Böschung der Grube hinunter, bis er den Bootsrumpf berührte. Die Kuppel aus Spanten, Lehm und weißen Wurzelfasern, die sich über ihm erhob, erschien ihm wie ein Himmel, erschaffen von einem kraftlosen, halbblinden Gott.
    Als er endlich wieder zu atmen wagte, füllten sich seine Nüstern mit den Gerüchen von Erde, Fichtenharz und Schimmel und noch seltsameren Düften, die er nicht einordnen konnte, manche davon so exotisch wie der Inhalt der Gewürzkuchen von Judith, der Küchenmeisterin auf dem Hochhorst. Ihre süße Stärke überraschte ihn so, dass er keine Luft mehr bekam. Binabik steckte den Kopf durch die Öffnung.
    »Befindest du dich wohl? Liegt Übles in der Luft?«
    Simon beruhigte sich wieder. »Es geht mir gut. Es ist nur …« Er schluckte. »Keine Sorge.«
    Binabik zögerte, zog sich aber zurück.
    Simon blickte auf die Bordwand. Es kam ihm vor, als betrachte er sie lange Zeit. Der Rumpf war so in der Grube verkeilt, dass die Wände hoch über seinen Kopf reichten. Simon sah keine Möglichkeit, einhändig an ihnen hochzuklettern, und die Fackel war zu dick, um sie mit dem Mund festhalten zu können. Einen kurzen Augenblick war er versucht, kehrtzumachen und Binabik die Lösung des Problems zu überlassen. Aber dann klemmte er das Griffende der Fackel unter einen der Stützbalken des Grabhügels, griff mit den Händen über die Bordwand und zog sich daran hoch, wobei er mit den Füßen strampelnd Halt suchte. Das Holz der Seepfeil fühlte sich schleimig an, hielt aber sein Gewicht.
    Er schob den Oberkörper über das Geländer und blieb einen Moment so waagerecht hängen. Der Bootsrand bohrte sich in seinen Magen wie eine Faust. Der süßliche Moschusgeruch war sehr stark.Als er nach unten sah, hätte er beinah laut geflucht, unterdrückte jedoch die Worte, die vielleicht Unglück brachten, bestimmt aber respektlos waren. Er merkte nämlich, dass er die Fackel zu niedrig angebracht hatte und ihr Licht nicht bis in das Innere des Rumpfes reichte. Alles, was er dort wahrnehmen konnte, waren unbestimmte, dunkle Schatten. Natürlich, dachte er, musste es einfach sein, einen einzigen Leichnam mit einem Schwert in der Hand zu finden, sogar im Dunkeln. Er brauchte nur danach zu tasten. Aber das hätte er um nichts in der Welt getan.
    »Binabik!«, rief er. »Binabik! Kannst du mir helfen?« Nicht ohne Stolz hörte er den festen Klang seiner Stimme.
    Der Troll kletterte über die Kante des Lochs und rutschte die Böschung hinunter. »Sitzt du irgendwo gefangen?«
    »Nein, aber ich kann ohne die Fackel nichts sehen. Kannst du sie mir geben?«
    Während er noch über

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