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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verlieren?«
    »Genau.«
    »Was ist nach dem Krieg passiert?«
    »Die Alliierten entsandten den Kunstexperten Douglas Cooper in die Schweiz, wo er versuchen sollte, die Wahrheit herauszufinden. Cooper stellte fest, daß während des Kriegs Hunderte, wenn nicht Tausende von geraubten Kunstwerken in die Schweiz gelangt waren. Seiner Überzeugung nach waren viele dieser Werke in Banktresoren und Zollagern versteckt.
    Paul Rosenberg reiste in die Schweiz, um sich dort selbst umzusehen. In einer Züricher Galerie wurde ihm ein Matisse angeboten, der ihm aus seiner eigenen Sammlung geraubt worden war!«
    »Unglaublich«, sagte Gabriel. »Was hat die Schweizer Regierung mit diesen Informationen gemacht?«
    »Sie hat den Alliierten zugesagt, sich an gründlichen Ermittlungen zu beteiligen. Sie hat zugesichert, alle während des Krieges in die Schweiz gelangten deutschen Vermögenswerte einzufrieren und eine landesweite Bestandsaufnahme solcher Vermögenswerte vorzunehmen. Keine dieser Maßnahmen wurde je verwirklicht. Douglas Cooper schlug vor, jedem Händler, der mit Raubkunst handelte, die Lizenz zu entziehen.
    Das lehnte die Schweizer Regierung ab. Dann forderte die Vereinigung Schweizer Kunsthändler ihre Mitglieder auf, nicht an weiteren Nachforschungen der Alliierten mitzuwirken. Kurz gesagt, die Schweizer Regierung tat, was sie immer tut: Sie schirmte ihre Belange und ihre Bürger gegenüber dem Ausland ab.«
    »Haben Kunsthändler wie Paul Rosenberg nicht versucht, auf Rückgabe ihrer Gemälde zu klagen?«
    »Einige haben's versucht, aber sie hatten schlechte Karten.
    Die Gesetzeslage ist so, daß ein Ausländer, der gegen einen Schweizer Bürger auf Rückgabe seines Eigentums klagt, viel Zeit und sehr viel Geld aufwenden muß. Die Beklagten beriefen sich im allgemeinen darauf, in gutem Glauben gehandelt zu haben. Und denk daran, die meisten der fraglichen Werke wurden im Jahr 1940 von den Nazis geraubt. Wegen der Fünfjahresklausel im Schweizer Recht hatten die rechtmäßigen Eigentümer schon 1945 keinen einklagbaren Rückgabeanspruch mehr. Da versteht es sich von selbst, daß die meisten Kläger mit leeren Händen abzogen.«
    »Glaubst du, daß die Schweiz noch immer Raubkunst beherbergt?«
    »Meiner Ansicht nach, Gabriel, ist das meiste Zeug noch dort.
    Aus dem wenigen, das du mir erzählt hast, schließe ich, daß Augustus Rolfe einige dieser Gemälde in seinem Besitz gehabt haben könnte.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Isherwood trank seinen Wein aus und starrte wieder in die Flammen. »Ich denke, du bist jetzt mit dem Reden an der Reihe, Gabriel. Erzähl mir alles. Und diesmal keine Lügen mehr. Ich bin zu alt, um mich noch belügen zu lassen.«
    Draußen goß es wieder. Auf ihrem Rückweg zur Galerie drängten sie sich wie Trauergäste bei einem Leichenzug unter einem Schirm zusammen. Gabriel hatte Isherwood alles erzählt - von der Entdeckung von Rolfes Leiche bis zu der Bombendetonation in Werner Müllers Galerie in Paris. Dabei hatte Isherwood noch zwei Gläser Médoc getrunken, und sein leicht schwankender Gang ließ die Wirkung des Weins erkennen.
    »Schamron«, sagte Ishe rwood sotto voce, aber in verächtlichem Tonfall. »Mir hätte gleich klar sein müssen, daß der Schweinehund etwas mit dieser Sache zu tun hat. Ich dachte, er sei beim letzten Mal endgültig pensioniert worden?«

    »Sie finden immer einen Grund, ihn zurückzuholen.«
    »Wie man hört, soll Anna Rolfe eine richtige Diva sein.«
    »Oh, manchmal schon.«
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf, mein Lieber, solltest du durchwegs davon ausgehen, daß sie mehr über ihren Vater und seine Sammlung weiß, als sie dir erzählt. Töchter neigen dazu, sich schützend vor ihre Väter zu stellen, selbst wenn sie diese für völlige Schweinehunde halten.«
    »Ich werde versuchen, daran zu denken.«
    »Vielleicht war das Ganze nur ein gewöhnlicher Kunstdiebstahl.«
    »Sie haben im Salon einen Raffael an der Wand hängen lassen und die Kunstgalerie des Mannes, der die Sammlung Rolfe betreut hatte, in die Luft gejagt. Ich glaube nicht, daß an diesen Ereignissen irgend etwas gewöhnlich ist.«
    »Verstanden«, sagte Isherwood. »Tatsächlich habe ich das Gefühl, die einzig Vertrauenswürdigen in dieser elenden Sache sind die Gemälde selbst.«
    »Tut mir leid, daß gerade ich dir das beibringen muß, Julian, aber Bilder können nicht wirklich sprechen. Außerdem ist die Sammlung weg.«
    »Gemälde können nicht sprechen, aber ihre Prove nienz kann es.

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