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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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einem Fenster des Apartmentgebäudes auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand. Vor einer Stunde hatte er bereits Gabriels Ankunft geknipst. Die Photos waren nicht notwendig, sondern nur ein professioneller Schliff. Allons Gespräch mit Emil Jacobi war von zwei empfindlichen Sendern, die der Mann bereits vor einem halben Jahr in der Wohnung des Professors installiert hatte, aufgezeichnet und übertragen worden. Als Allon das Haus verließ, machte der Überwachungskünstler noch mehrere Photos. Dann setzte er sich vor seinen Rekorder und hörte sich die Aufnahme an. Nach eineinhalb Stunden stetiger Arbeit hatte er ein Protokoll des Gesprächs erstellt. Er brauchte noch eine halbe Stunde, um es auf Vollständigkeit zu überprüfen, dann verschlüsselte er das Gesprächsprotokoll und schickte es mit den Aufnahmen von Allon per E-Mail nach Zürich. Sekunden später erschienen die Informationen auf dem Bildschirm vor Gerhardt Peterson, der sofort nach dem Telefonhörer griff und dringend um einen Termin bei Herrn Gessler bat. Peterson mochte Emil Jacobi nicht, und Herr Gessler konnte ihn ebenfalls nicht leiden.
    Jacobis Einmannkreuzzug gegen die Finanzoligarchie der Schweiz war lästig und kostspielig geworden. Die beiden Männe r waren sich darüber einig, es werde Zeit, dem kleinen Professor, der sich überall einmischte, das Handwerk zu legen.
    Bevor Peterson am nächsten Morgen zum Dienst fuhr, führte er von seinem häuslichen Arbeitszimmer aus ein Telefongespräch.
    Es dauerte nur knapp zwei Minuten. Das Schicksal Emil Jacobis, des schlechten Gewissens der Schweiz, wurde durch eine finanzielle Transaktion besiegelt: die Überweisung von zweihunderttausend US-Dollar auf ein Genfer Nummernkonto, dessen Inhaber Antonio Orsati war. Peterson fand das in der Tat sehr passend.

22 - COSTA DE PRATA
    Als Gabriel am nächsten Vormittag zu Anna Rolfes Villa hinauffuhr, stellte er zufrieden fest, daß dort mindestens vier Männer Wache hielten: einer am Tor, ein zweiter am Fuß des Weinbergs, ein dritter unter den Bäumen und ein vierter auf dem Hügel, von dem aus er die gesamte Zufahrt überblicken konnte.
    Schamron hatte Rami, seinen schweigsamen persönlichen Leibwächter, als Chef dieses Sicherheitsteams entsandt. Rami begrüßte Gabriel an der Einfahrt. Als Gabriel fragte, wie Anna sich mit der Anwesenheit seines Teams abgefunden habe, verdrehte er die Augen - Das erfährst du bald genug.
    Gabriel betrat die Villa und folgte dem Klang von Annas Violine die Treppe hinauf. Dann klopfte er an die Tür ihres Übungszimmers und trat ein, ohne ihr »Herein!« abzuwarten.
    Sie fuhr herum, beschimpfte ihn, weil er sie unterbrochen hatte, und warf ihm dann kreischend vor, er habe ihr Haus in ein Militärlager verwandelt. Während ihre Tirade immer schriller wurde, hielt Gabriel den Kopf gesenkt und betrachtete seine Hände. An einigen Stellen war hellrotes Blut durch die Mullbinden gesickert. Das sah auch Anna. Sie verstummte sofort und führte ihn ins Bad neben ihrem Schlafzimmer, um die Verbände zu wechseln. Während sie ihn ve rsorgte, hatte er Zeit, sie ausgiebig zu betrachten. Ihre Nackenhaare waren feucht; in den Fingerkuppen ihrer linken Hand hatten die Violinsaiten winzige Furchen hinterlassen. Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte.
    »Saubere Arbeit«, sagte er, als er die neuen Verbände begutachtete.
    »Ich verstehe mich darauf, Hände zu verbinden, Mr. Allon.
    Sie haben mir einiges über meinen Vater zu erzählen, nicht wahr?«

    »Vorläufig gibt es mehr Fragen als Antworten. Und nennen Sie mich bitte Gabriel.«
    Sie lächelte. »Ich habe eine Idee, Gabriel.«
    In einen Nylonrucksack packte Anna, was sie für ein Picknick brauchten: Brot und Käse und gebratene Hähnchenschenkel. Als letztes steckte sie eine gekühlte Flasche Wein hinein, die sie in eine Wolldecke gewickelt hatte, damit sie kalt blieb. Rami gab Gabriel eine Beretta und zwei jungenhaft aussehende Leibwächter mit. Auf dem schattigen Pfad durch das Kiefernwäldchen, in dem Ra mis Leute dicht hinter ihnen blieben, berichtete Gabriel Anna von den Ereignissen in Paris.
    Von seinen Gesprächen mit Julian Isherwood und Emil Jacobi erzählte er vorerst nichts. Das hatte Zeit bis später.
    Die Bäume hörten auf, und die Ruinen wurden sichtbar. Eine Wildziege sprang auf einen Granitblock, meckerte sie an und verschwand dann im Stechginster. Gabriel schob den Rucksack zurecht und folgte Anna den steilen Weg hinauf.
    Gabriel beobachtete,

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