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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Mittagessens ein, und dann hasteten sie von ihren schweigenden Leibwächtern beschattet unter dem sich verdüsternden Himmel hügelabwärts. Kurz bevor sie das Kiefernwäldchen erreichten, setzte kräftiger Regen ein. »Zu spät!« rief Anna fast schreiend, um das Prasseln zu übertönen.
    »Wir müssen uns unterstellen.« Sie faßte Gabriel am Arm und zog ihn mit sich unter eine hohe Kiefer. »Ihre Verbände dürfen nicht naß werden«, sagte sie mit einem Unterton von Besorgnis in der Stimme. Aus dem Rucksack zog sie einen verknitterten Nylonanorak, den sie über ihre Köpfe hielten. So hockten sie zwanzig Minuten lang wie Flüchtlinge unter dem Baum, während Ramis Leibwächter den Platzregen, der sie bis auf die Haut durchnäßte, mit stoischer Ruhe ertrugen. In der Zeit, in der sie darauf warteten, daß das Unwetter vorbeizog, teilte Anna Gabriel die neuen Sicherheitscodes der Villa mit und sagte ihm, wo die Provenienzen der Bilder zu finden waren. Als der Regen endlich nachließ, bestand sie darauf, Gabriels Hände in den Nylonanorak zu wickeln, damit die Verbände trocken blieben, und sie folgten dem in der Nässe rutschigen Weg vorsichtig bis zur Villa hinunter. Vor dem Haus übergab Gabriel sie wieder in Ramis Obhut und stieg in seinen Wagen. Das letzte, was er bei einem Blick über die Schulter sah, war Anna Rolfe, die Rami über die Zufahrt jagte und dabei kreischte: »Peng, peng, Rami! Sie sind tot!«

23 - LISSABON
    Motzkin gefiel es in Lissabon. Er hatte auf einigen der begehrtesten Posten gearbeitet. Er war in London stationiert gewesen. Er kannte Paris und Brüssel. Er hatte ein aufregendes Jahr als angeblicher Journalist aus Ottawa in Kairo verbracht. In Lissabon war es heutzutage ziemlich ruhig, und das war Motzkin gerade recht. Ab und zu eine kleine Überwachung, oft in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Geheimdienst. Gerade genug, um zu verhindern, daß er einen Lagerkoller bekam. So hatte er Zeit für seine Bücher und seine Briefmarken und lange Siestas mit seiner Geliebten in der Alfama.
    Er war gerade aus ihrer Wohnung zurückgekommen, als das Telefon auf seinem Schreibtisch leise summte. Motzkin nahm den Hörer ab und hob ihn vorsichtig an sein Ohr. Ari Schamron hatte die Angewohnheit, etwa um diese Zeit den Kopf aus seinem Fuchsbau zu stecken und seinen katsas das Leben zur Hölle zu machen. Aber Gott sei Dank war der Anrufer nicht Schamron - nur der Sicherheitsbeamte unten im Foyer. Bei ihm war ein Besucher, der Motzkins Namen kannte.
    Motzkin legte den Hörer auf und holte sich das Bild der Überwachungskamera im Foyer auf seinen Monitor. In die Station kamen immer wieder unangemeldete Besucher unterschiedlichster Couleur. Im allgemeinen genügte ein rascher Blick, um zu entscheiden, ob der oder die Unbekannte empfangen oder mit auf den Rücken gedrehten Armen zum Tor eskortiert werden sollte.
    »Hol mich der Teufel«, murmelte Motzkin, als das Bild auf seinem Monitor erschien. Man stelle sich vor, die lebende Legende, die aussah wie unter die sprichwörtlichen Räuber gefallen, kam einfach in die Botschaft marschiert! Soviel Motzkin wußte, hatte der Restaurator sich zuletzt mit seinen

    Gemälden und seinen Dämonen in irgendeinem englischen Landhaus vergraben. »Hol mich der Teufel«, wiederholte er, als er die Treppe hinunterpolterte. »Bist du's wirklich?« 
    Im Nachrichtenraum stellte Motzkin eine abhörsichere Verbindung zu Schamrons Dienstzimmer am King Saul Boulevard in Tel Aviv her. Dann schloß er die schalldichte Tür und beobachtete Gabriel durch das eingesetzte Fenster. Das Gespräch war unerfreulich; soviel bekam Motzkin von außen mit. Andererseits gab es im Dienst nur wenige Leute, die nicht irgendwann mit dem Alten aneinandergeraten waren, und die Wortgefechte zwischen Schamron und dem großen Gabriel Allon gehörten zum Sage nschatz des Dienstes. Als Gabriel zwanzig Minuten später den Hörer auf die Gabel knallte und den Raum verließ, war sein Gesicht aschfahl.
    »Der Alte schickt in einer halben Stunde ein Dossier. Ich brauche ein paar Sachen.«
    Motzkin nahm Gabriel mit nach oben in die Station, zeigte ihm die Dusche und legte ihm saubere Kleidung heraus. Dann buchte er einen Flug für ihn, ließ einen Mietwagen reservieren und gab ihm zweitausend Dollar aus der Portokasse.
    Als sie in den Nachrichtenraum zurückkamen, glitt gerade das Dossier aus dem sicheren Faxgerät. Es war von der Abteilung Recherche am King Saul Boulevard zusammengestellt worden und beruhte auf

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