Der entzauberte Regenbogen
Sie was?) und nachweisen, dass auch Wörter mit weniger offensichtlicher Herkunft früher – vielleicht in einer toten (begriffen?) Sprache – Metaphern waren. Das englische Wort «language» (Sprache) kommt vom lateinischen «lingua» (Zunge).
Ich habe mir gerade ein Wörterbuch des zeitgenössischen Slangs gekauft, denn zu meiner Beunruhigung erfuhr ich von Amerikanern, die das Manuskript gelesen hatten, einige meiner englischen Lieblingswörter würden jenseits des Atlantiks nicht verstanden. Das Wort «mug» zum Beispiel, das «dumm», «einfältig» oder «albern» heißt, kennt man dort in dieser Bedeutung nicht. Ganz allgemein war ich wieder beruhigt, als ich aus dem Wörterbuch erfuhr, wie viele Slangwörter im gesamten englischen Sprachraum verbreitet sind, aber vor allem verblüffte mich die erstaunliche Kreativität unserer Spezies, die einen endlosen Nachschub an neuen Wörtern und Bedeutungen erfindet: «parallel parking» oder «getting your plumbing snaked» («parallel parken» oder «das Rohr einlochen») für Geschlechtsverkehr; «idiot box» («Idiotenkiste») für den Fernseher; «Christmas on a stick» («Weihnachten am Stiel») für einen eingebildeten Menschen; «nixon» für ein betrügerisches Geschäft; «jam sandwich» («Marmeladenbrot») für einen Polizeiwagen; solche Slangausdrücke sind die vorderste Front einer erstaunlich reichhaltigen semantischen Weiterentwicklung. Und sie belegen die Aussage von C. S. Lewis ganz hervorragend. Sah der Ursprung aller Wörter so aus?
Wie bei den «Fährtenlandkarten» frage ich mich, ob die Fähigkeit, Analogien zu erkennen und Bedeutungen aufgrund der symbolischen Ähnlichkeit mit anderen Dingen auszudrücken, vielleicht der entscheidende Fortschritt in der Software war, der das menschliche Gehirn in seiner Evolution über die entscheidende Schwelle in die Spirale der Koevolution hob. Das Wort «Mammut» wird als Wortbestandteil gebraucht, um auszudrücken, dass etwas sehr groß ist (z. B. Mammutwerk). Könnte es bei unseren Vorfahren zum entscheidenden semantischen Durchbruch gekommen sein, als sich ein urmenschliches Dichtergenie bemühte, die Vorstellung von «groß» in ganz anderem Zusammenhang zu vermitteln und dabei auf die Idee kam, ein Mammut nachzuahmen oder zu zeichnen? War es ein solcher Fortschritt bei der Software, der die Menschheit in die explosionsartige Koevolution von Soft- und Hardware trieb? Vielleicht war es nicht gerade dieses Beispiel, denn Größe lässt sich allzu leicht durch die allgemein übliche Handbewegung wiedergeben, die prahlerische Angler so lieben. Aber selbst sie ist ein Fortschritt der Software im Vergleich zur Kommunikation der Schimpansen in freier Wildbahn. Oder wie wäre es mit dem Bild einer Gazelle, das die scheue Grazie eines Mädchens ausdrücken soll, eine Vorwegnahme der «Zwei Mädchen, beide schön, die eine wie eine Gazelle» von Yeats? Wie wäre es mit Wasser, das aus einem Gefäß verspritzt wird und nicht nur Regen bedeuten soll, was fast zu nahe liegend ist, sondern auch Tränen, weil man versucht, Trauer mitzuteilen? Konnten sich unsere fernen Vorfahren der Spezies habilis oder erectus ein Bild wie den «schluchzenden Regen» von John Keats vorstellen – womit sie sofort das Mittel entdeckt hätten, ihn auszudrücken? (Wobei allerdings auch die Tränen selbst ein ungelöstes Rätsel der Evolution sind.)
Wie sie auch begann und welche Rolle sie in der Evolution der Sprache auch gespielt haben mag: Wir Menschen haben als einzige von allen Tieren die poetische Gabe der Metapher – wir nehmen wahr, wenn Dinge wie andere Dinge sind und nutzen den Zusammenhang als Angelpunkt für unsere Gedanken und Gefühle. Das ist ein Aspekt der Phantasie. Vielleicht war sie der entscheidende Fortschritt bei der Software, der die Spirale der Koevolution in Gang setzte. Wir können darin eine entscheidende Weiterentwicklung der Software zur Simulation der Welt sehen, von der im vorangegangenen Kapitel die Rede war. Vielleicht war es der Schritt von der eingeschränkten virtuellen Realität, bei der das Gehirn ein Modell dessen simuliert, was die Sinnesorgane ihm mitteilen, zur uneingeschränkten virtuellen Realität, bei der die vom Gehirn simulierten Dinge zurzeit nicht tatsächlich vorhanden sind – zur Phantasie, zu den Tagträumen, zum Nachdenken über eine hypothetische Zukunft nach dem Motto «Was wäre, wenn?». Und damit sind wir schließlich wieder bei der poetischen Wissenschaft und dem
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