Der entzauberte Regenbogen
dann zu den DNA-Fingerabdrücken («Strichcodes vor Gericht»), was mir die Gelegenheit verschafft, die Rolle der Naturwissenschaft in der Gesellschaft auch unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten.
Der nächste Teil des Buches handelt von Täuschungen. In den Kapiteln «Märchen, Geister, Sternendeuter» und «Berechnete Schauer» befasse ich mich mit jenen normalen Abergläubischen, die nicht als hehre Poeten den Regenbogen verteidigen, sondern sich im Rätselhaften aalen und sich verraten fühlen, wenn man ihnen eine Erklärung liefert. Solche Leute lesen gerne Gruselgeschichten und denken sofort an Poltergeister oder Wunder, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht. Sie lassen keine Gelegenheit aus, die berühmten Zeilen aus «Hamlet»
Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden,
Als eure Schulweisheit sich träumt
zu zitieren, und die Antwort des Naturwissenschaftlers («ja, aber wir arbeiten daran») lässt sie unbeirrt. Wer ein richtiges Geheimnis durch Erklären lüftet, ist in ihren Augen ebenso ein Spielverderber, wie Newton es mit seiner Erklärung des Regenbogens für manche Dichter der Romantik war.
Michael Sheermer, der Redakteur der Zeitschrift Skeptic , kann ein Lied davon singen. Er berichtet, wie er einmal einen berühmten Fernsehspiritisten öffentlich entlarvte. Der Mann zeigte ganz normale Zaubertricks und führte die Zuschauer dabei so an der Nase herum, dass sie glaubten, er trete mit Verstorbenen und Geistern in Kontakt. Aber anstatt sich gegen den entlarvten Scharlatan zu wenden, griff das Publikum den Aufklärer an und unterstützte eine Frau, die ihm «ungehöriges» Verhalten vorwarf, weil er den Leuten ihre Illusion genommen hatte. Eigentlich hätte sie ihm dankbar sein müssen, weil er ihr die Augen geöffnet hatte, aber die Dame zog es offensichtlich vor, sie fest geschlossen zu halten. Nach meiner Überzeugung ist ein geordnetes Universum, das unabhängig von den Vorlieben der Menschen existiert und in dem es für alles eine Erklärung gibt – auch wenn wir vielleicht noch lange brauchen, bis wir sie finden –, etwas viel Schöneres als ein Universum, das sich durch irgendwelchen Hokuspokus austricksen lässt.
In der Parapsychologie kann man einen Missbrauch des legitimen Gefühls des Staunens sehen, das eigentlich von echter Naturwissenschaft genährt werden sollte. Eine andere Gefahr lauert in dem, was man als «schlechte Poesie» bezeichnen könnte. Das Kapitel «Wolkige Symbole von höchster Romantik» warnt vor der Verführung durch schlechte Poesie in der Naturwissenschaft und irreführende Rhetorik. Anhand von Beispielen befasse ich mich schwerpunktmäßig mit den Beiträgen eines Autors aus meinem eigenen Fachgebiet, der mit seinen phantasievollen Schriften – vor allem, aber nicht nur in Amerika – einen unverhältnismäßig großen und, wie ich meine, unglückseligen Einfluss auf das Evolutionsverständnis vieler, nicht wissenschaftlich geschulter Leser gewonnen hat. Aber die wichtigste Stoßrichtung des Buches ist die Förderung guter naturwissenschaftlicher Poesie. Damit meine ich natürlich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse in Versform, sondern eine Naturwissenschaft, die ihre Inspiration aus dem poetischen Gefühl des Staunens bezieht.
Die letzten vier Kapitel behandeln vier verschiedene, aber zusammenhängende Themen und geben einige Hinweise, was Naturwissenschaftler tun könnten, die poetisch begabter sind als ich. Gene, so egoistisch sie auch sein mögen, müssen auch «kooperativ» im Sinne von Adam Smith sein (deshalb beginnt das Kapitel «Der egoistische Kooperator» mit einem Zitat dieses Autors, das sich allerdings eigentlich nicht auf das hier behandelte Thema, sondern auf das Staunen als solches bezieht). In den Genen einer Spezies kann man eine Beschreibung früherer Welten sehen, ein «genetisches Totenbuch». Auf ganz ähnliche Weise fügt das Gehirn die Welt wieder zusammen: Es schafft im Kopf eine Art «virtuelle Realität», die ständig aktualisiert wird. In «Ein Ballon zum Denken» stelle ich Spekulationen über die Ursprünge der einzigartigen Eigenschaften unserer Spezies an, um dann schließlich zum poetischen Impuls als solchem und seiner mutmaßlichen Rolle in unserer Evolution zurückzukehren.
Die Computersoftware ist die Triebkraft einer neuen Renaissance, und einige ihrer kreativen Genies sind Wohltäter und gleichzeitig selbst Renaissancemenschen. Charles Simonyi von Microsoft stiftete der Universität Oxford 1995
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