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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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anzunehmen, daß er alles mit angesehen hatte. Auf meine dementsprechende Frage reagierte er aber nur mit einem stummen, gepeinigten Blick, schüttelte den Kopf und schlurfte an mir vorbei aus dem Zimmer, langsam, mit hängenden Schultern und so schleppenden Schritten, als trüge er eine unsichtbare Zentnerlast mit sich. Ich wollte ihn aufhalten, um endlich Klarheit auf all die Fragen zu bekommen, die mir durch den Kopf schossen, aber irgend etwas hielt mich davon zurück, was, wußte ich nicht. Vielleicht der Blick, mit dem er mich streifte, als er an mir vorbeiging. So blieb ich einfach nur wortlos stehen und sah ihm nach, während er aus dem Zimmer schlurfte und den Gang entlangging. Ich hörte die Tür seines Schlafzimmers ins Schloß fallen, und ich erinnere mich nicht, den Laut jemals als so düster und bedrohlich empfunden zu haben. In dem großen, leeren Haus klang es wie das Zuschlagen des steinernen Deckels einer Gruft. Plötzlich war mir kalt.
    Fröstelnd drehte ich mich um, blickte einen Moment lang die monströse Standuhr an und verließ dann ebenfalls das Zimmer.
    Aber ich ging nicht in mein Dachkammerreich zurück, sondern nach unten, in die Küche. Wie ich es gehofft hatte, fand ich eine gefüllte Thermoskanne mit Marys köstlichem Kaffee vor, aus der ich mich erst einmal ausgiebig bediente. Außerdem stieß ich auf Merlin er kauerte mit angelegten Ohren in der Holzkiste, in der Mary die Küchenabfälle zu sammeln pflegte; ein Zufluchtsort, der seinem vier Inches langen, strahlendwei-
    ßen Perserfell gewissermaßen den letzten Schliff gab. Aber heute hielt ich ihm keine Standpauke, wie ich es normalerweise tat, wenn er wieder einmal vergessen hatte, daß er von Geburt weder ein Schwein noch ein gemeiner Straßenkater war, sondern eine Edelkatze. Ich pflückte ihn nur vorsichtig aus seinem Versteck, zupfte ein paar Salatblätter und einen Ketchupfleck aus seinem Fell und setzte ihn auf meinen Schoß.
    Merlin blickte mich mit einer Mischung aus Furcht und Erleichterung an und begann zu schnurren was aber nicht unbedingt ein Zeichen für Zufriedenheit sein muß, wie die meisten Menschen glauben. Es kann genausogut Angst ausdrücken. Und im Moment war ich sogar ziemlich sicher, daß es genau das bedeutete.
    Ich lächelte ihm zu ich bezweifle, daß Katzen ein menschliches Lächeln als wohltuend empfinden, aber trotzdem , langte nach meiner Kaffeetasse und begann ihn mit der anderen Hand zwischen den Ohren zu kraulen.
    »Du bist schon ein schöner Feigling, Merlin«, sagte ich.
    »Aber du hast ja recht hier stimmt etwas nicht.«
    Merlin sagte: Miaaaauu , richtete sich plötzlich auf meinem Schoß auf und versetzte mit seinem dicken Schädel der Kaffeetasse einen Stoß, der ihren Rand wuchtig gegen meine Schneidezähne prallen und ihren Inhalt zum Teil über sein Fell und zu einem weitaus größeren Teil über meine Oberschenkel laufen ließ. Merlin kreischte und stob in heller Panik davon, und eine halbe Sekunde später sprang auch ich so heftig in die Höhe, daß mein Stuhl polternd umfiel. Der Kaffee war brüh-endheiß, und ich trug nichts außer dem dünnen Hausmantel; trotzdem spürte ich überhaupt keinen Schmerz, ich fühlte nicht einmal Wärme, und und die Flüssigkeit, die sich als häßlicher dunkler Fleck rasch auf meinem Morgenmantel ausbreitete, war auch kein Kaffee!
    Mein Herz schien auszusetzen, als ich sah, was in der Tasse gewesen war.
    Es war … Blut.
    Der süßliche Geruch und die typische dunkelrote Farbe waren unverkennbar. In der Tasse war Blut gewesen!

    Würgender Brechreiz kroch in meiner Kehle empor.
    Ich hatte keinen Tropfen getrunken, aber allein die Vorstellung …
    Mit aller Kraft ballte ich die Fäuste, so heftig, daß es weh tat, konzentrierte mich nur auf den Schmerz und schloß die Augen.
    Als ich sie nach ein paar Sekunden wieder öffnete, war zumindest die Übelkeit ein wenig abgeflaut. Trotzdem kostete es mich alle Überwindung, den Blick zu senken und abermals an mir herabzusehen.
    Auf meinem Morgenrock prangte ein bräunlicher Fleck, und zwischen meinen Füßen bildete sich langsam eine große, dampfende Kaffeelache.
    Ungläubig starrte ich beides an, bückte mich schließlich zögernd und hob die Tasse auf, die zu Boden gefallen war. Sie war zerbrochen, aber in einer der Scherben war noch ein Rest ihres Inhaltes zurückgeblieben. Vorsichtig schnupperte ich daran, tunkte schließlich den Finger hinein und berührte den winzigen Tropfen mit der Zunge.
    Kaffee.
    Kein

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