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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Polizeibeamter gewöhnte man sich an, Menschen auf den ersten Blick zu taxieren. Ein gutes, sicheres Auge war von unschätzbarem Wert. Es gab Situationen, die einem keinen zweiten Blick erlaubten.
    Eine Weile tranken sie schweigend ihren Kaffee und sahen sich über den Rand der Plastikbecher hinweg an. Auch sie taxiert mich, dachte Bert. Vielleicht überlegt sie, ob ich zu einer Romanfigur tauge. Bei dieser Vorstellung wurde ihm unbehaglich zumute. Was, wenn sie die Fähigkeit besaߟ, in seine Gedanken einzudringen?
    »Gut«, sagte er, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Was wollen Sie wissen?«
    Sie schrieb an einem Roman über einen Sexualmörder. Ausgerechnet. Sie hatte viele Fragen zu dem Mord an Simone Redleff. Und zog wie selbstverständlich die Verbindung zu den Morden in Norddeutschland.
    »ßœber die aktuelle Ermittlungsarbeit kann ich nicht sprechen«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür.«
    Sie nickte. »Auch Informationen über frühere, abgeschlossene Fälle würden mir sehr helfen«, sagte sie. »Was mich vor allem interessiert, ist das Profil eines Sexualmörders, wobei mir klar ist, dass man da nicht verallgemeinern darf. Aber...« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »... Sie ahnen es bestimmt schon - eigentlich möchte ich am liebsten alles wissen.«
    Ihre Offenheit entwaffnete ihn. Er überlegte, dass es wahrscheinlich am sinnvollsten wäre, einfach ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Also fing er an zu erzählen und sie machte sich Notizen. Hin und wieder unterbrach sie ihn, um nachzufragen oder etwas zu präzisieren. Ihre Fragen waren klug und geschickt und zeigten, dass sie seine Ausführungen verstanden hatte. Ihre Neugier war distanziert und unaufdringlich.
    Es machte ihm Freude, ihr Gesicht zu betrachten, das jede ihrer Regungen widerspiegelte. Selten hatte er ein so lebhaftes Mienenspiel beobachtet. Er fragte sich, ob sie auch nur ahnte, wie viel sie einem Beobachter damit verriet.
    Nach zwei Stunden und zwei weiteren Bechern Kaffee stand sie auf und streckte ihm die Hand hin. »Ich bedanke mich ganz herzlich, Herr Melzig. Nicht nur, dass Ihre Informationen mich ein gutes Stück weiterbringen, es hat mir auch wirklich Vergnügen bereitet, mich mit Ihnen zu unterhalten.«
    »Mir auch«, antwortete er und nahm ihre Hand. Schmal und kühl lag sie in seiner und er hielt sie ein wenig zu lange fest. »Sollten noch Fragen auftauchen, dürfen Sie mich gern jederzeit anrufen.«
    Darüber schien sie sich zu freuen. Sie lächelte ihn an, ebenfalls ein klein wenig zu lange, wie ihm schien, dann ging sie mit leichten Schritten hinaus.

    Er blieb ein paar Sekunden in der Mitte des Zimmers stehen, dann setzte er sich an den Schreibtisch und rief zu Hause an. Dafür gab es eigentlich keinen Anlass, aber er musste unbedingt Margots Stimme hören.
     
    Imke fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss, durchquerte die Halle mit den schwarzen, spiegelnden Fliesen und trat durch die Drehtür in den Sonnenschein hinaus.
    Dieser Mann war anders als die Polizeibeamten, die sie bisher kennen gelernt hatte. Sein Gesicht war offen und sensibel. Seine Augen verrieten, dass sie viel Schreckliches gesehen hatten. Vor allem seine Hände waren ihr aufgefallen: Klavierspielerhände, lang und knochig, mit sehr beweglichen Fingern. Gepflegte Nägel, was sie an Männern schätzte. Ein schlichter Ehering an der rechten Hand. Starker Bartwuchs. Schon jetzt, am frühen Nachmittag, wäre eine zweite Rasur fällig gewesen. Braune Baumwollhosen und ein weiߟes Leinenjackett, darunter ein naturfarbenes Baumwollhemd mit offenem Kragen. Er war leicht gebräunt. Sein Haar war dunkel und lockig und fiel ihm in die Stirn. Jedes Mal, wenn er gelächelt hatte, war es gewesen, als wäre das Zimmer mit einem Schlag heller geworden. Und beinah schön. Obwohl es ein unpersönlicher, kahler Raum war.
    Auf dem Schreibtisch hatten keine Fotografien gestanden. Er war nicht der Typ, der Porträts von Frau und Kindern um sich herum aufbaute. Er brauchte nicht die Illusion von Behaglichkeit, um arbeiten zu können. Ganz im Gegenteil, er...
    Schluss jetzt. Sie konzentrierte sich darauf, ihren Wagen auf dem überfüllten Parkplatz wieder zu finden, wo sie ihn zuvor achtlos irgendwo abgestellt hatte. Es war ein Fluch ihres Berufs, dass sie hinter jedem Menschen sofort eine Geschichte sah.
    Jette hatte ihr neulich vorgeworfen, sie zensiere inzwischen sogar Gefühle nach ihrer literarischen

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